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Margot Friedländer mit 103 Jahren gestorben – eine Stimme des Erinnerns verstummt

Margot Friedländer mit 103 Jahren gestorben – eine Stimme des Erinnerns verstummt

Mai 9, 2025
Monika Schmidt
Holocaust-Überlebende Margot Friedländer ist im Alter von 103 Jahren in Berlin gestorben. Ihre Stiftung führt ihr Vermächtnis der Erinnerung weiter.

Die Holocaust-Überlebende, Autorin und Ehrenbürgerin von Berlin, Margot Friedländer ist tot. Sie starb am Freitag, dem 9. Mai 2025, im Alter von 103 Jahren in Berlin. Das teilte die Margot-Friedländer-Stiftung mit. RENEWZ berichtet unter Berufung auf welt.de.

Friedländer, eine der letzten lebenden Zeitzeuginnen der Shoah, widmete ihr Leben dem Erinnern und Aufklären. Noch mit über 100 Jahren sprach sie bei Gedenkveranstaltungen, im EU-Parlament und in Berliner Schulen über Verfolgung, Verlust – und über Menschlichkeit.

Ein Leben im Schatten des Holocaust

Margot Friedländer wurde 1921 in eine jüdische Familie in Berlin geboren. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde ihre Familie systematisch entrechtet und verfolgt. Ihr Bruder und ihre Mutter wurden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Margot tauchte zunächst unter, wurde aber 1944 verraten, verhaftet und ins Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt.

Sie überlebte – als einzige ihrer Familie. Nach dem Krieg emigrierte sie gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann in die USA, lebte jahrzehntelang in New York und sprach öffentlich nie über ihre Vergangenheit.

Erst nach dem Tod ihres Mannes 1997, und einer Reise nach Berlin 2003, kehrte sie langsam in die Öffentlichkeit zurück. 2010 schließlich entschloss sie sich, dauerhaft nach Berlin zurückzuziehen – nicht aus Sentimentalität, sondern mit einem klaren Auftrag: gegen das Vergessen zu kämpfen.

„Hass ist mir fremd“, sagte sie später über ihre Rückkehr ins Land der Täter – ein Satz, der zu einer ihrer bekanntesten Botschaften wurde.

Mahnerin mit Mission – die Stiftung und ihre Wirkung

2014 wurde die Margot-Friedländer-Stiftung gegründet, um ihr Engagement weiterzutragen. Die Stiftung unterstützt insbesondere junge Menschen in ihrer Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Herzstück ist der Margot-Friedländer-Preis, mit dem jährlich Schüler:innenprojekte ausgezeichnet werden, die sich kreativ mit Erinnerungskultur, Ausgrenzung und Zivilcourage befassen.

Wichtig war Friedländer dabei stets die junge Generation: „Ich spreche für diejenigen, die nicht mehr sprechen können“, sagte sie oft – und meinte damit nicht nur ihre ermordete Familie, sondern Millionen anderer Opfer.

Symbolfigur der Erinnerung – öffentlich geehrt bis zuletzt

Friedländers Lebensgeschichte wurde durch einen Dokumentarfilm und ihre Autobiografie „Versuche, dein Leben zu machen“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Für ihr Engagement wurde sie vielfach ausgezeichnet – darunter mit dem Bundesverdienstkreuz (2011), der Würde einer Ehrenbürgerin Berlins, und Einladungen zu hochrangigen Anlässen: Noch 2025 war sie beim Bundespresseball am Brandenburger Tor Festrednerin. Auch US-Präsident Joe Biden traf sie persönlich bei einem Besuch in Schloss Bellevue.

„Es gibt kein jüdisches, kein christliches oder muslimisches Blut – es gibt nur menschliches“, wiederholte sie unermüdlich. Eine Botschaft, die für sie keine Phrase, sondern Lebensinhalt war.

Letzter Auftritt, bleibende Wirkung

Nur wenige Wochen vor ihrem Tod trat Friedländer ein letztes Mal öffentlich auf. Ihre Stimme war leiser geworden – ihre Botschaft umso klarer. „Was war, können wir nicht mehr ändern“, sagte sie, „aber es darf nie wieder geschehen.“ Deutschland verliert mit ihr nicht nur eine Überlebende des Holocaust, sondern eine moralische Instanz – eine Frau, die das Grauen überlebte und daraus Menschlichkeit formte.

picture alliance / AA / photothek.de / Kira Hofmann

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