Wie werden in deutschen Kirchen die Uhren umgestellt

Während sich Smartphones, Bahnanzeigen und moderne Wanduhren längst automatisch umstellen, bleibt in vielen Kirchen Deutschlands eine fast vergessene Tradition erhalten. Die Kirchenuhr wird dort noch per Hand an die Sommer- oder Winterzeit angepasst. So auch im brandenburgischen Atterwasch.

Wenn die Zeit noch Handarbeit ist

Zweimal im Jahr steigt Eckhard Schulz, 69 Jahre alt, den Turm der Dorfkirche hinauf. Seit über 50 Jahren – mit Pausen – kümmert er sich ehrenamtlich um das Uhrwerk. Auch an diesem Sonntag steht der Aufstieg an, wenn die Uhr auf Sommerzeit umgestellt werden muss.

In einer Welt der Automatisierung ist seine Tätigkeit etwas Besonderes: gelebte Technikgeschichte, die man hört, wenn die Glocken schlagen – und sieht, wenn die Turmuhr wieder richtig geht.

Der Aufstieg zur Zeit

Bevor Schulz Hand anlegen kann, öffnet er eine alte Holztür. Dann folgen viele schmale Stufen, vorbei am Glockenstuhl mit drei Glocken – die älteste stammt aus dem Jahr 1465. „Als Amerika entdeckt wurde, war die schon 30 Jahre alt“, sagt Schulz mit Stolz.

Seit Jahrzehnten kennt er jede Stufe des Kirchturms. Für die zweimal jährlich nötige Zeitumstellung ist seine Erfahrung entscheidend. Denn moderne Helfer wie Funk oder Internet gibt es hier oben nicht.

Ein Geschenk mit Geschichte

Das mechanische Uhrwerk wurde dem Ort Atterwasch im Jahr 1911 von den ortsansässigen Müllern gestiftet. In einer Zeit, in der Armbanduhren noch Luxus waren, diente die Kirchturmuhr als öffentliche Zeitangabe für alle.

Das Innere der Uhr gleicht einem komplexen Geflecht: Zahnräder, Riemen, Wellen – präzise ineinandergreifend. Schulz nennt sie „kleine Kunstwerke“. Die Idee, solch eine Technik zu entwickeln und über ein Jahrhundert zu erhalten, beeindruckt ihn bis heute.

So wird die Uhr auf Sommerzeit umgestellt

Seit 2007 unterstützt ein Elektromotor den Betrieb. Doch die Umstellung auf Sommer- oder Winterzeit bleibt reine Handarbeit. Schulz beschreibt den Ablauf:

• Einen Hebel mit der Hand halten, um die Sperre zu lösen
• Gleichzeitig ein Rad drehen
• Die Sperre mit einem Finger herausnehmen
• Den Vorgang am Minutenrad wiederholen

Auch wenn es für ihn „relativ unkompliziert“ ist – Laien würden den Ablauf kaum nachvollziehen können.

Kein nächtlicher Einsatz notwendig

In der Nacht stellt Schulz die Uhr nie um. „Da schlafen die Leute, die hören das eh nicht“, sagt er lachend. Stattdessen ist er früh morgens auf dem Turm, damit die Gemeinde pünktlich mit der richtigen Zeit in den Sonntag startet.

Ein Handwerk mit Seele

Was Eckhard Schulz in Atterwasch tut, ist mehr als technische Wartung. Es ist gelebte Geschichte, ein stilles Ehrenamt und ein Symbol für das Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Solche Kirchenuhren sind nicht nur Zeitanzeiger, sondern Kulturträger – und Schulz einer ihrer letzten Hüter.

Tradition statt Digitaltechnik

In Zeiten von Digitaluhren und automatischer Zeitumstellung erinnert das Beispiel aus Atterwasch daran, dass Zeit auch heute noch spürbar sein kann – wenn sie durch Menschenhände bewegt wird.

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Bild von renewz.de