Warum kappte Chinas „Große Firewall“ über eine Stunde lang den weltweiten Zugang zum Internet

In der Nacht auf Mittwoch war das chinesische Internet für mehr als eine Stunde vom Rest der Welt weitgehend isoliert. Laut der Forschungsgruppe Great Firewall Report, die sich auf die Beobachtung der Internetzensur in China spezialisiert hat, wurden sämtliche Verbindungen über den TCP-Port 443 blockiert. Dieser Port ist zentral für verschlüsselte HTTPS-Verbindungen, die heute den Großteil des Webverkehrs abwickeln. Die Blockade begann kurz nach Mitternacht und dauerte exakt eine Stunde und 14 Minuten. Darüber berichtet Renewz unter Berufung auf heise.de.
Die Analyse ergab, dass nur der Port 443 vollständig unterbrochen war, während andere häufig genutzte Ports weiterhin funktionierten. Ein systematischer Portscan konnte jedoch nicht abgeschlossen werden, da die Sperre in diesem Moment bereits wieder aufgehoben war. Die Konsequenz war eine weitreichende Unterbrechung der Kommunikation zwischen dem chinesischen Netz und internationalen Diensten.
Mögliche Ursachen
Nach Einschätzung der Experten kommen zwei Szenarien infrage:
- Neue Hardware: Die Installation eines neuen Geräts innerhalb der Großen Firewall könnte zu einem Ausfall geführt haben.
- Fehlfunktion: Bereits vorhandene Filter- oder Überwachungsgeräte könnten fehlerhaft gearbeitet oder falsch konfiguriert worden sein.
Offizielle Stellen in Peking gaben bislang keinerlei Erklärung ab. In China ist es üblich, den Internetzugang in sensiblen Situationen gezielt einzuschränken. Hinweise auf ein konkretes politisches Ereignis oder eine koordinierte Sperrung gibt es jedoch nicht.
Technischer Hintergrund
Die „Große Firewall“ ist ein vielschichtiges System aus Routern, Firewalls und Überwachungstechnologie. Es filtert unerwünschte Inhalte, blockiert Webseiten und kontrolliert den Datenverkehr nach außen. Jede Komponente hinterlässt bestimmte technische Fingerabdrücke, die durch Analyse erkennbar sind. Beim Vorfall in der Nacht auf Mittwoch ließen sich diese typischen Muster jedoch nicht identifizieren – ein weiteres Indiz für ein technisches Problem oder einen Testlauf.
Parallel berichteten Beobachter auf einer GitHub-Seite, dass auch in Pakistan fast zeitgleich massive Internetprobleme auftraten. Pakistan baut derzeit mit Unterstützung chinesischer Unternehmen ein eigenes Zensursystem nach dem Modell der Großen Firewall auf. Ob ein Zusammenhang besteht, bleibt offen.
Bedeutung für Unternehmen und Nutzer
Für Internetnutzer in China bedeutete die Sperre, dass zahlreiche internationale Webseiten und Dienste für mehr als eine Stunde nicht erreichbar waren. Für Unternehmen, die von stabilen Datenverbindungen abhängig sind, unterstreicht der Vorfall die Risiken einer zentralisierten, staatlich kontrollierten Netzarchitektur.
Analysten weisen darauf hin, dass eine Blockade von Port 443 im Kern den Zugriff auf fast das gesamte moderne Internet unterbindet. Damit zeigt der Vorfall, wie weitreichend und abrupt die digitale Kommunikation in China eingeschränkt werden kann.
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