Warum Vitamin B1 lebenswichtig ist – und warum sein Mangel oft übersehen wird

Vitamin B1, auch Thiamin genannt, gehört zur Gruppe der wasserlöslichen B-Vitamine und ist ein unentbehrlicher Katalysator für den Energiestoffwechsel in jeder Zelle des menschlichen Körpers. Es ermöglicht die Umwandlung von Kohlenhydraten in nutzbare Energie (ATP), unterstützt die Signalübertragung im Nervensystem, schützt das Herz vor Überlastung und fördert die geistige Wachheit. Anders als fettlösliche Vitamine kann Thiamin nicht im Körper gespeichert werden – es muss regelmäßig über die Nahrung zugeführt werden. Bereits nach wenigen Wochen mit unausgewogener Ernährung kann es zu ersten neurologischen oder kardiovaskulären Symptomen kommen, berichtet Rеnewz.de.
Was ist Thiamin – und wofür braucht es der Körper konkret
Vitamin B1 ist funktionell in Form seines aktiven Metaboliten Thiaminpyrophosphat (TPP) tätig, der als Coenzym bei enzymatischen Reaktionen im Kohlenhydratstoffwechsel beteiligt ist, etwa bei der oxidativen Decarboxylierung von Pyruvat oder α-Ketoglutarat. Ohne diese Reaktionen kann das Gehirn nicht ausreichend mit Energie versorgt werden. Auch das vegetative Nervensystem, das Herz sowie die Skelettmuskulatur benötigen Thiamin für ihre Funktion. Ein Defizit wirkt sich deshalb nicht punktuell, sondern systemisch aus.
Ursachen eines Vitamin-B1-Mangels: Mehr als nur schlechte Ernährung
Ein Thiaminmangel entsteht nicht nur durch eine schlechte Nährstoffzufuhr – sondern kann auch Folge komplexer medizinischer, physiologischer oder sozialer Faktoren sein. Die wichtigsten Ursachen sind:
1. Unzureichende Zufuhr durch Ernährung
- Stark verarbeitete Lebensmittel wie Weißmehlprodukte, raffinierter Zucker und polierter Reis enthalten kaum Vitamin B1.
- Einseitige Diäten, Low-Carb-Trends oder vegane Ernährung ohne Supplementierung führen schnell zu Unterversorgung.
- Häufig unterschätzt: Flüssignahrung bei alten Menschen (z. B. Suppen, Säfte) ist oft arm an Thiamin.
2. Gesteigerter Bedarf oder Verlust
- Schwangerschaft und Stillzeit: Erhöhter Stoffwechselbedarf.
- Krankheiten wie Krebs, Infektionen, Schilddrüsenüberfunktion, Diabetes erhöhen die zelluläre Thiaminverwertung.
- Extremer Stress oder intensiver Sport können den täglichen Bedarf verdoppeln.
3. Gestörte Resorption und Ausscheidung
- Alkoholmissbrauch reduziert die intestinale Aufnahme von Thiamin und erhöht die renale Ausscheidung.
- Chronische Durchfälle, Reizdarmsyndrom, Zöliakie, Pankreasinsuffizienz stören die Aufnahme im Darm.
- Diuretika und Chemotherapie beschleunigen den Verlust über die Nieren.
Wer ist besonders gefährdet? – Die medizinisch relevanten Risikogruppen
Risikogruppe | Begründung |
---|---|
Menschen über 60 | Altersbedingte Resorptionsschwäche und oft schlechte Ernährung |
Alkoholabhängige | Resorptionsstörung und erhöhter Abbau |
Veganer ohne Supplemente | Tierische Produkte sind wichtigste B1-Quellen |
Patienten mit Magen-Darm-Operationen | Magenresektion oder Darmkürzungen verhindern Aufnahme |
Diabetiker | Chronische Entzündung und Glukoseüberschuss erhöhen Bedarf |
Sportler unter „Low Carb“-Diäten | Energiebedarf steigt, B1 sinkt |
Symptome und Krankheitsbilder bei Thiaminmangel – von mild bis lebensbedrohlich
Ein Thiaminmangel äußert sich in einem breiten Spektrum unspezifischer Symptome, die oft nicht erkannt oder fehlgedeutet werden:
Frühe Symptome
- Müdigkeit, Schwäche, Muskelschlaffheit
- Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen
- Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust
- Tachykardie, leichte Herzrhythmusstörungen
Fortgeschrittene Manifestationen
Krankheitsbild | Beschreibung |
---|---|
Beriberi (trocken) | Nervenschäden, Taubheit, Brennen in den Beinen, Gangstörungen |
Beriberi (feucht) | Herzinsuffizienz, Ödeme, Kurzatmigkeit |
Wernicke-Enzephalopathie | Augenmuskellähmung, Ataxie, Verwirrtheit – Notfall! |
Korsakow-Syndrom | Chronisch-amnestisches Syndrom, meist irreversibel |
PNS-Neuropathien | Kribbeln, Empfindungsstörungen, Muskelschwäche |
Wie wird ein Vitamin-B1-Mangel diagnostiziert
Eine gezielte Diagnostik umfasst:
- Anamnese (Ernährungsgewohnheiten, Alkohol, Medikamente)
- Blutuntersuchungen:
- Thiamin im Plasma oder Vollblut
- Aktivität der Transketolase (Funktionsdiagnostik)
- Thiaminpyrophosphat-Bestimmung
- Ergänzende Tests:
- MRT bei neurologischen Auffälligkeiten
- EKG bei Herzbeschwerden
Therapieoptionen: Was tun bei nachgewiesenem Mangel
Leichter Mangel:
- Tägliche orale Substitution mit 10–50 mg Thiamin (rezeptfrei)
- Kombination mit anderen B-Vitaminen empfohlen
- Umstellung der Ernährung auf thiaminreiche Kost
Schwerer Mangel:
- Intramuskuläre oder intravenöse Gabe von Thiamin in Dosen bis 300 mg täglich
- Besonders bei Wernicke-Symptomen muss sofort behandelt werden (innerhalb von Stunden!)
- Engmaschige ärztliche Überwachung, ggf. stationäre Aufnahme
Ernährung gegen Thiaminmangel: Diese Lebensmittel helfen
Lebensmittel | Gehalt an Vitamin B1 pro 100 g |
---|---|
Schweinefleisch | 0,8 mg |
Sonnenblumenkerne, Pinienkerne | 0,6–1 mg |
Linsen, Bohnen, Erbsen | 0,3–0,5 mg |
Haferflocken, Vollkornbrot | 0,4 mg |
Naturreis, Hirse, Quinoa | 0,2–0,3 mg |
Eier | 0,07 mg |
Rind- oder Kalbsleber | 0,3–0,5 mg |
Tagesbedarf:
- Erwachsene: 1,1–1,5 mg
- Schwangere und Stillende: bis 1,9 mg
- Leistungssportler, Kranke: bis 3,0–4,0 mg
Prävention: Wie lässt sich ein Vitamin-B1-Mangel vermeiden
- Täglich Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte konsumieren
- Fleisch oder adäquate pflanzliche Alternativen einplanen
- Alkoholkonsum reduzieren oder vermeiden
- Bei Krankheiten oder Diäten gezielt supplementieren
- Senioren regelmäßig ärztlich kontrollieren lassen
- B-Vitamin-Komplexe in Zeiten erhöhter Belastung nutzen
Vitamin B1 ist klein, aber entscheidend
Ein Mangel an Vitamin B1 betrifft nicht nur gefährdete Gruppen wie Alkoholkranke oder alte Menschen – sondern kann jeden treffen, der sich unausgewogen ernährt oder unter chronischer Belastung steht. Die Symptome sind oft schleichend, aber potenziell schwerwiegend: Von Müdigkeit bis zum neurologischen Notfall reicht die Palette der klinischen Manifestationen.
Achten Sie auf sich, lassen Sie regelmäßig Ihre Blutwerte prüfen, und greifen Sie bei Bedarf frühzeitig zur Ergänzung. Der Schlüssel zur Gesundheit liegt oft im Detail – in diesem Fall: in einem unsichtbaren, aber entscheidenden Mikronährstoff.
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