UNO erkennt erstmals offiziell Hunger in Gaza an: Über eine halbe Million Menschen betroffen

Im Gazastreifen spitzt sich die humanitäre Lage dramatisch zu. Wochenlange Kämpfe, zerstörte Infrastruktur und blockierte Hilfslieferungen haben die Bevölkerung an den Rand einer Katastrophe gedrängt. Nun schlagen die Vereinten Nationen Alarm: Erstmals haben sie offiziell Hunger in der Region festgestellt. Nach Angaben des aktuellen Berichts der Integrierten Klassifikation der Ernährungsunsicherheit (IPC) sind mehr als eine halbe Million Menschen von akuter Nahrungsmittelknappheit betroffen – das entspricht fast einem Viertel der dort lebenden Palästinenser. Darüber berichtet Renewz unter Berufung auf das UNO-Pressezentrum auf Facebook sowie den Bericht der Integrierten Klassifikation der Ernährungssicherheitsphasen (IPC).
„Der Hunger in Gaza ist ein globaler Hunger. Ein Hunger, der uns alle betrifft und betreffen muss“, erklärte Tom Fletcher, Leiter des UNO-Büros für humanitäre Angelegenheiten.
Die Organisation fordert ein sofortiges Ende der Kämpfe, die Freilassung aller Geiseln sowie uneingeschränkten humanitären Zugang. Experten der IPC warnen, dass die Zahl der Betroffenen bis Ende September auf rund 641.000 Menschen ansteigen könnte.
Hunger wurde bislang weltweit nur viermal offiziell registriert: in Somalia (2011), im Südsudan (2017 und 2020) sowie im Sudan (2024). UNO-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die Situation in Gaza als „von Menschenhand geschaffene Katastrophe, moralisches Urteil und Versagen der Menschheit“. Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, warnte, dass der Hungertod als Kriegsverbrechen eingestuft werden könne.
Reaktion Israels
Die israelische Regierung weist die Vorwürfe entschieden zurück. Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte, der Bericht über Hunger in Gaza sei „eine klare Lüge“. Israel habe keine Politik des Aushungerns, sondern eine Politik der Hungerprävention.
Nach seinen Angaben seien seit Beginn des Krieges zwei Millionen Tonnen Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangt – mehr als eine Tonne pro Einwohner. Gleichzeitig hat Netanjahu die Pläne der israelischen Armee zur Einnahme der Stadt Gaza gebilligt und neue Verhandlungen mit der Hamas angekündigt. Unterdessen kam es in Israel mehrfach zu Protesten, bei denen viele Bürger ein sofortiges Ende des Krieges forderten.
Globaler Hintergrund: Hunger als Waffe und weltweite Dimension
Die Feststellung einer Hungersnot durch die Vereinten Nationen ist ein seltenes und alarmierendes Signal, das die Schwere der Lage unterstreicht. Hunger gilt heute zunehmend nicht mehr ausschließlich als Folge von Naturkatastrophen, sondern wird immer häufiger als Instrument bewaffneter Konflikte erkannt. Historisch gesehen wurde eine Hungersnot nur in wenigen Fällen offiziell dokumentiert – etwa in Somalia (2011), im Südsudan (2017 und 2020) sowie zuletzt im Sudan (2024). Allen Fällen gemeinsam waren Krieg, Blockaden und politische Instabilität.
Im Gazastreifen hat die Krise bereits über 250 Todesopfer gefordert, fast die Hälfte davon Kinder. Internationale Hilfsorganisationen wie das Welternährungsprogramm (WFP) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnen, dass sich Gaza damit in eine besorgniserregende globale Entwicklung einreiht: Laut UNO-Welternährungsbericht 2025sind weltweit mehr als 280 Millionen Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen – der höchste Wert seit Beginn der Erhebungen.
Experten betonen, dass Hunger nicht nur eine humanitäre Katastrophe darstellt, sondern auch eine geopolitische Dimension hat: Er schwächt Gesellschaften, destabilisiert ganze Regionen, fördert Migrationsbewegungen und kann als Kriegsverbrechen gewertet werden, wenn er gezielt herbeigeführt wird. Damit wird die Hungersnot in Gaza nicht nur zu einer lokalen Tragödie, sondern zu einem Teil einer globalen Krise, die die internationale Gemeinschaft vor eine moralische wie sicherheitspolitische Bewährungsprobe stellt.
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