Ein weiß-goldener Tempel mitten in der ukrainischen Provinz, vergoldete Statuen, ein 23-Tonnen-Sarkophag und bleiverglaste Fenster aus einer 600 Jahre alten deutschen Kirche: Das Mausoleum des verstorbenen Agrarmagnaten Leonid Jakowyshyn ist keine Grabstätte – es ist ein Monument des Selbstbildes.Was wie eine Grabstätte wirkt, ist in Wahrheit ein Denkmal des eigenen Selbstverständnisses – darauf verweist auch Renewz.de mit Verweis auf ukrainische Qualitätsmedien.
Wer ist Mykola Yankovsky
Mykola Andrijowytsch Yankovsky, geboren 1944 in der Ukrainischen SSR, ist ein bedeutender ukrainischer Unternehmer, Wissenschaftler und ehemaliger Politiker. Nationale Bekanntheit erlangte er als Generaldirektor und späterer Eigentümer des traditionsreichen Chemiewerks Stirol in Horliwka. Unter seiner Leitung wurde das Werk in den 1990er- und 2000er-Jahren zu einem der größten Hersteller von Stickstoffdüngern in Osteuropa ausgebaut. Es produzierte Ammoniak, Harnstoff, Salpetersäure sowie Industriechemikalien für den In- und Export. Besonders hervorzuheben ist sein Engagement für Umweltstandards: Stirol war das erste Unternehmen der Branche mit einem geschlossenen Wasserkreislaufsystem, das industrielle Abwässer vollständig intern filterte – ein Novum im postsowjetischen Raum.
Yankovsky promovierte in Wirtschaftswissenschaften, veröffentlichte über 150 wissenschaftliche Arbeiten und wurde 2003 für seine wirtschaftlichen Leistungen mit dem höchsten staatlichen Orden „Held der Ukraine“ ausgezeichnet. Politisch war er von 1994 bis 2012 mehrmals als Abgeordneter in der Werchowna Rada (ukrainisches Parlament) tätig, zuletzt für die Partei der Regionen.
Sein Konzern wurde 2010 für geschätzte 650 bis 750 Millionen US-Dollar an die Ostchem Holding (gehört zur Firtasch-Gruppe) verkauft. Sein Vermögen wurde in dieser Zeit auf über 600 Millionen US-Dollar geschätzt. Trotz seiner Verdienste geriet Stirol 2013 infolge eines tragischen Ammoniakaustritts mit Todesopfern in die Kritik. Danach zog sich Yankovsky weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück.
Der Agrarpatriarch mit der Vision vom Ewigen
Leonid Jakowyshyn, geboren 1939 in Kossjatyn (Oblast Winnyzja), überlebte als Kind den Zweiten Weltkrieg und begann in den 1960er Jahren seine Laufbahn als Agronom. Als die Sowjetunion zusammenbrach, wandelte sich der einstige Staatsfunktionär in einen der einflussreichsten Unternehmer der ukrainischen Landwirtschaft.
Sein 2000 gegründeter Agrarkonzern „Simlja i Wolja“ (Erde und Wille) entwickelte sich aus zerfallenden Kolchosen zum größten landwirtschaftlichen Arbeitgeber in der Region Tschernihiw. Über 32.500 Hektar Land, eigene Getreideverarbeitung, Tierproduktion und ein moderner Fuhrpark machten Jakowyshyn zum Symbol des postsozialistischen Unternehmererfolgs. Allein 2024 erwirtschaftete das Unternehmen 2,67 Milliarden Hrywnja (≈ 64 Mio. Euro), mit einem Reingewinn von 803 Millionen Hrywnja – rund 20 Millionen Euro.Doch wirtschaftlicher Erfolg war für ihn nicht genug. Er wollte bleiben. In Stein. In Gold. Für die Ewigkeit.
Drei Millionen Dollar für ein Grab voller Botschaften
„Ich wollte kein Grab. Ich wollte ein Denkmal für Disziplin und Arbeit.“ – Leonid Jakowyshyn, 2018 in einem Interview mit „Suspilne“
An der südlichen Ausfahrt der Stadt Bobrowyzja, zwischen Ährenfeldern und verstaubten Landstraßen, erhebt sich ein Bauwerk, das wie aus Paris importiert wirkt – oder aus einem Größenwahn.
Baubeginn: 2013 Bauzeit: über 10 Jahre Baukosten: über 3.000.000 USD
Finanziert wurde alles privat. Wobei „privat“ hier bedeutet: bezahlt aus den Gewinnen eines landwirtschaftlichen Unternehmens, dessen Mitarbeiter zu den Hauptarbeitgebern der Region gehören.
Das Gebäude ist aus weißem Marmor errichtet, das Dach wölbt sich in eine vergoldete Kuppel. Im Inneren:
Ein Sarkophag aus rotem Granit, 23 Tonnen schwer
Eine Deckplatte aus rosa Granit, 2,5 Tonnen schwer
Vier lebensgroße vergoldete Statuen des Bauherrn in den Lebensaltern 20, 40, 60 und 80 Jahren
Buntglasfenster aus einer abgebauten 600-jährigen deutschen Kirche
Der Bau soll nach Jakowyshyns Wunsch für die Öffentlichkeit zugänglich werden – montags bis freitags, von 10 bis 17 Uhr. Er nannte es:
„Ein Ort, an dem zukünftige Generationen Ehrfurcht lernen sollen.“
Zwischen Bewunderung und Empörung
In Bobrowyzja lebten 2025 rund 11.000 Einwohner – viele arbeiten bei „Erde und Wille“. Für einige ist das Mausoleum ein Beweis für Größe, Konsequenz und Führung. Für andere ein verhöhnendes Symbol sozialer Ungleichheit.
„Warum eine goldene Statue, wenn unsere Klinik keine neuen Ultraschallgeräte hat?“ – anonymer Einwohner gegenüber „Chernihiv.Info“
Kritiker verweisen darauf, dass ein Drittel des Jahresbudgets der Kommune in das Grabmal geflossen sein könnte – zumindest indirekt, durch Subventionen, steuerliche Vorteile und öffentlichen Verzicht auf Alternativinvestitionen.
Trotzdem wagte kaum jemand, offen zu widersprechen. Jakowyshyn war nicht nur reich – er war Autorität.
Der Invalidendom in Paris, in dem Napoleon Bonaparte ruht, war Jakowyshyns erklärtes Vorbild. Doch der Vergleich hinkt – oder übertrifft ihn sogar.
Merkmal
Mausoleum Jakowyshyn
Mausoleum Napoleon (Paris)
Bauzeit
10+ Jahre (2013–2025)
1840–1861 (Umbettung bis Abschluss)
Kosten (geschätzt)
≈ 3 Mio. USD
> 4 Mio. Franc (≈ 12–15 Mio. USD heutiger Wert)
Stil
Neoklassik mit barocker Überhöhung
Empirestil / Barock
Materialien
Marmor, Granit, Gold, Glas
Quarzit, Marmor, Bronze, Stein
Statuen
4 Jakowyshyn-Statuen
12 allegorische Siegesfiguren
Sarkophag
Rotgrauer Granit, 23 t
Karelischer Quarzit, 5 eingelassene Schichten
Symbolik
Lebensleistung eines Landwirts
Staatskult und imperiale Größe
Napoleon selbst hatte in seinem Testament verfügt:
„Ich wünsche, dass meine Asche an den Ufern der Seine ruht, unter dem Volk, das ich so sehr geliebt habe.“
Jakowyshyn sagte:
„Ich möchte, dass meine Leute sehen, wie weit man mit Saat und Schweiß kommen kann.“
Die Ewigkeit hat begonnen
Am 26. Juli 2025 starb Leonid Jakowyshyn im Alter von 86 Jahren. Sein Körper ruht nun im Granitsarkophag, der ein Jahrzehnt auf ihn wartete. Der Bau ist abgeschlossen, das Portal geöffnet. Das Denkmal steht.
Doch was bleibt? Für die einen ein visionärer Ort, ein Erinnerungsraum an Aufstieg und Erfolg in der ukrainischen Agrarwelt. Für die anderen ein goldener Sarkophag der Eitelkeit, ein Monument, das weniger mit Napoleon als mit Größenwahn gemein hat. Was sicher ist: Noch nie hat sich ein Landwirt im postsowjetischen Raum ein solches Mausoleum errichtet. Es wird bleiben. Nicht nur aus Stein.
Für die Erstellung dieses Artikels wurden Quellen wie DSnews.ua, Focus.ua, Seeds.org.ua und 24tv.ua herangezogen.