Trumps Ukraine-Kehrtwende: Europa reagiert mit Erleichterung und wachsender Skepsis

Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, in denen er erstmals öffentlich die vollständige Rückeroberung aller ukrainischen Gebiete von Russland unterstützt, haben in Europa sowohl Erleichterung als auch Skepsis ausgelöst, berichtet Renewz unter Berufung auf Reuters. Beobachter sehen darin eine abrupte Kehrtwende des Präsidenten, der noch vor wenigen Wochen angedeutet hatte, Kiew müsse Gebiete abtreten, um den Krieg zu beenden, und Kremlchef Wladimir Putin in Alaska demonstrativ empfangen hatte.
Unklar bleibt jedoch, ob die Worte Trumps auch eine tatsächliche Änderung der US-Politik bedeuten. Viele Experten gehen davon aus, dass die Verantwortung für militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine zunehmend auf Europa übergeht, da Washington seine Rolle schrittweise reduziert. Neil Melvin, Direktor für Internationale Sicherheit am RUSI, sagte gegenüber Reuters, Trumps Aussagen könnten als Zeichen verstanden werden, dass er den Konflikt nun differenzierter wahrnehme und wachsende Frustration über Putins Vorgehen zeige.
Gleichzeitig betonte Melvin, dass Trump strategische Unklarheit wahre: Er ermutige zwar die Ukraine, vermeide aber feste Zusagen für amerikanische Hilfe. Damit verstärke er den Eindruck, dass die USA eine Führungsrolle im Konflikt bewusst abgeben und die Verantwortung an Europa zurückspielen.
Deutschlands Außenminister Johann Wadephul begrüßte Trumps Bemerkungen zwar, unterstrich jedoch, dass Europa seine Souveränität ausbauen müsse. In einem Interview mit Deutschlandfunk forderte er, die europäischen Partner hätten längst nicht alle zugesagten Leistungen erbracht. Es brauche zusätzliche finanzielle Mittel und verstärkte militärische Maßnahmen, auch wenn dies für die Staaten der EU eine enorme Herausforderung darstelle.
Hinter den Kulissen äußerten mehrere europäische Diplomaten Zweifel, ob Trump mit seinen jüngsten Aussagen nicht vor allem signalisieren wolle, dass die Unterstützung für Kiew nun in europäischer Hand liege. Ein ranghoher Vertreter Westeuropas kommentierte, der Präsident klinge so, als verabschiede er sich aus dem Ukraine-Dossier – auch wenn dies sich jederzeit wieder ändern könne. Ein hochrangiger Diplomat aus Osteuropa meinte, Trump wolle deutlich machen, dass die Zukunft der Ukraine nun als „europäische Frage“ betrachtet werden müsse.
An den Finanzmärkten sorgten Trumps Kommentare für gegensätzliche Reaktionen: Während europäische Rüstungsaktien am Mittwochmorgen im Plus lagen, gaben die internationalen Anleihen der Ukraine nach. Josef Janning, Senior Fellow beim German Council on Foreign Relations, bezeichnete Trumps Worte als widersprüchlich. Seit dem Treffen mit Putin in Alaska habe sich der Präsident zunehmend von einer aktiven Rolle entfernt, erklärte er.
Bereits vor seiner Rückkehr ins Weiße Haus im Januar hatte Trump damit geprahlt, den Krieg in nur 24 Stunden beenden zu können. Nach dem angespannten Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Februar versuchten europäische Spitzenpolitiker, Trump stärker einzubinden und ihn davon zu überzeugen, dass die Verantwortung für den Krieg ausschließlich bei Moskau liege.
Europa hat seitdem seine eigenen Anstrengungen verstärkt: NATO-Mitglieder erhöhten ihre Verteidigungsausgaben deutlich und lieferten Luftabwehrsysteme sowie Munition an die Ukraine – teilweise über einen Mechanismus, bei dem US-Bestände durch europäische Finanzierung genutzt werden. Dennoch warnen Experten, dass Trumps Haltung jederzeit erneut umschwenken könne. Melvin betonte, dass „ein einziges Telefonat mit Putin ausreichen könnte, um den Kurs erneut zu verändern“, und dass die bisherigen Monate das Vertrauen Europas in Washingtons Verlässlichkeit bereits stark erschüttert hätten.
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