Tokenisierte Aktien: Robinhood, Kraken und Gemini treiben den Markt in Europa an

Die Finanzwelt steht vor einer neuen Ära: Plattformen wie Robinhood (HOOD.O), Gemini (GEMI.O) und Kraken bringen tokenisierte Aktien in Europa auf den Markt, während Coinbase (COIN.O), Robinhood und das Startup Dinari auf die Genehmigung für ähnliche Produkte in den USA warten. Auch die Nasdaq überraschte im vergangenen Monat, als sie als erste große Börse vorschlug, selbst tokenisierte Aktien anzubieten, berichtet Renewz.de mit Verweis auf Reuters.
Tokenisierte Aktien – also auf Blockchain-Technologie basierende Instrumente, die reale Aktien abbilden – gelten laut Branchenvertretern als potenzielle Revolution der Kapitalmärkte. Sie ermöglichen den Handel rund um die Uhr, sofortige Abwicklung, niedrigere Transaktionskosten und mehr Liquidität. Laut RWA.xyz stieg der Gesamtwert solcher tokenisierten Aktien für Privatanleger im September auf 412 Millionen US-Dollar, verglichen mit nur wenigen Millionen vor einem Jahr.
Risiken und rechtliche Grauzonen
Obwohl viele Produkte wie klassische Aktien vermarktet werden, gewähren sie laut Branchenjuristen häufig nicht dieselben Rechte oder Schutzmechanismen. Stattdessen ähneln sie riskanteren Derivaten. Dies könne – so Kritiker – nicht nur die Integrität des Marktes gefährden, sondern auch zu einer Fragmentierung der Liquidität führen, falls keine klare Aufsicht erfolge.
„Man kauft hier eine Form synthetischer Exposition gegenüber diesen Aktien“, erklärt Diego Ballon Ossio, Partner der Londoner Kanzlei Clifford Chance. „Die Verantwortung liegt stärker beim Anleger, der verstehen muss, was genau er erwirbt.“
Einige Unternehmen wie Ondo Global Markets oder Dinari emittieren ihre eigenen tokenisierten Aktien, die entweder vollständig (1:1) durch reale Wertpapiere gedeckt oder als Derivate strukturiert sind. Viele dieser Token bieten jedoch keine Stimmrechte, keine klassischen Dividenden und beinhalten ein Gegenparteirisiko gegenüber dem Emittenten.
Unterschiedliche Strukturen – Beispiel Tesla und Nvidia
Besonders deutlich zeigt sich die Vielfalt bei tokenisierten Versionen von Tesla (TSLA.O) und Nvidia (NVDA.O). Diese Token unterscheiden sich in Struktur, Rechten und Offenlegungspflichten. „Dass jede tokenisierte Aktie andere Bedingungen und Offenlegungen hat, ist ein ernstes Problem“, betont Gabriel Otte, CEO von Dinari, das auf vollständige 1:1-Besicherung setzt.
Im Juni führte Robinhood den Handel mit tokenisierten Aktien börsennotierter Unternehmen ein und kündigte an, bald auch Anteile an privaten Firmen zu tokenisieren. Zum Start verschenkte das Unternehmen Token, die an OpenAI gekoppelt waren. Diese Token sind laut den Geschäftsbedingungen derivative Verträge, die auf Robinhoods Fondsanteilen an einem Zweckvehikel basieren, das wiederum Wandelanleihen von OpenAI hält. Nach der Ankündigung äußerte sich OpenAI kritisch und betonte, die Aktion nicht genehmigt zu haben – was zur Prüfung durch Robinhoods europäischen Regulierer führte.
Johann Kerbrat, General Manager von Robinhood Crypto, erklärte, dass die Token eindeutig als Derivate gekennzeichnet seien: „Das ist nur ein weiterer Schritt, um die Vorteile sofortiger Abwicklung nutzen zu können.“ Der Handel finde jedoch – so ein Sprecher – noch nicht vollständig auf der Blockchain statt.
Gemini lehnte eine Stellungnahme ab.
Aufsicht und regulatorische Debatte
In Europa fallen Anbieter wie Robinhood und Kraken unter die sogenannten MiFID-Derivateregeln. Mehrere Juristen halten diese jedoch für unzureichend, um die komplexe Tokenisierung effektiv zu überwachen. In den USA erwägt die Securities and Exchange Commission (SEC) unter dem kryptofreundlichen ehemaligen Vorsitzenden Paul Atkins, Ausnahmen von den Wertpapiergesetzen zuzulassen – ein Schritt, dem sich große Marktteilnehmer wie Citadel Securities und die Securities Industry and Financial Markets Association (SIFMA) widersetzen.
„Nur weil ein Wertpapier auf der Blockchain dargestellt wird, ändert das nichts an den grundlegenden Anlegerschutzvorschriften“, betonte Peter Ryan, Leiter der internationalen Kapitalmärkte bei SIFMA.
In einem Schreiben an die SEC im Juli warnte Citadel Securities, dass Tokenisierung Liquidität aus den öffentlichen Märkten abziehen könnte. Die SEC selbst lehnte eine Stellungnahme ab, ebenso Citadel Securities.
Auch die Europäische Wertpapieraufsicht ESMA erklärte, sie beobachte die Risiken der Tokenisierung aufmerksam. Die World Federation of Exchanges forderte die Behörden kürzlich auf, bei diesem Thema härter durchzugreifen, da viele Produkte unzureichenden Schutz böten – gleichzeitig unterstütze man jedoch den Nasdaq-Vorschlag, der Token wie traditionelle Aktien behandeln würde.
Die neue Grenze zwischen Innovation und Regulierung
Parallel dazu führt Coinbase Gespräche mit der SEC über die Einführung tokenisierter Wertpapiere, die Anlegern die gleichen Rechte und Vorteile wie klassische Aktien gewähren sollen.
Mark Greenberg, Global Head of Consumer bei Kraken, erklärte, sein Unternehmen biete den „Goldstandard“ mit voller 1:1-Besicherung und vollständigen Offenlegungen, während andere Derivate lediglich „IOUs“ darstellten.
Auch Ian De Bode, Chief Strategy Officer bei Ondo Finance, betonte: „Wenn Tokenisierung richtig umgesetzt wird, stärkt sie den Anlegerschutz – anstatt ihn zu schwächen.“
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Foto von: REUTERS/Federico Maccioni
