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Temu im Visier: Wettbewerbsbehörde prüft mögliche Marktverzerrung

Temu im Visier: Wettbewerbsbehörde prüft mögliche Marktverzerrung

Oktober 8, 2025
James Whitmore
Temu gerät ins Visier des Kartellamts: Untersuchung wegen möglicher Preisvorgaben für Händler – Details zu Vorwürfen, Marktstrategie und Tipps für Händler & Verbraucher.

Das Bundeskartellamt hat ein offizielles Verfahren gegen den chinesischen Online-Marktplatz Temu eingeleitet. Laut einer Mitteilung der Behörde vom 8. Oktober 2025 soll überprüft werden, ob die Betreiberfirma Whaleco Technology Limited mit Sitz in Dublin Händler auf der Plattform zu bestimmten Preisvorgaben zwingt oder unzulässige Wettbewerbsbedingungen schafft. Der Verdacht lautet, dass Temu Händlerpreise künstlich begrenzt und möglicherweise selbst über Endverkaufspreise entscheidet. Diese Praktiken könnten laut Bundeskartellamt.de erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen darstellen und zu Preisverzerrungen auf dem deutschen Markt führen. Darüber berichtet Renewz.de – das Magazin für Wirtschaft, Technologie und Gesellschaft.

Der Hintergrund des Verfahrens

Seit Monaten wächst der Druck auf Temu. Der Online-Marktplatz ist bei Verbrauchern wegen seiner niedrigen Preise beliebt, steht aber bei Behörden und Konkurrenten unter Beobachtung. Laut Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt besteht der Verdacht, dass Temu Händler dazu verpflichtet, ihre Verkaufspreise auf dem deutschen Marktplatz künstlich niedrig zu halten. Konkret soll das Unternehmen festgelegt haben, dass Händler ihre Produkte maximal zu 85 Prozent des Preises anbieten dürfen, den sie auf anderen Plattformen verlangen.

Darüber hinaus soll Temu sich vorbehalten, die Endverkaufspreise selbst festzulegen – eine Praxis, die das Kartellamt als möglichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Händler bewertet. Diese Preisvorgaben könnten laut der Behörde „erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen darstellen“ und den Markt insgesamt verzerren. Wenn Händler gezwungen werden, ihre Preise nach Vorgaben einer Plattform zu senken, hat das langfristig auch Auswirkungen auf andere Vertriebswege, die dann höhere Preise rechtfertigen könnten.

Reaktion von Temu und erste Stellungnahmen

Temu selbst reagierte zunächst zurückhaltend auf die Vorwürfe. Ein Sprecher erklärte, man halte sich „an die geltenden Gesetze und Vorschriften der Länder, in denen man tätig sei“. Zudem betonte das Unternehmen, es sei zuversichtlich, etwaige Bedenken des Bundeskartellamts ausräumen zu können.

Der Handelsverband Deutschland (HDE), der bereits im Frühjahr 2025 eine offizielle Beschwerde gegen Temu eingereicht hatte, begrüßte den Schritt der Behörde. HDE-Präsident Alexander von Preen erklärte, die Einleitung des Verfahrens sei „ein wichtiges Signal an alle Händlerinnen und Händler in Deutschland“. Wer hierzulande Geschäfte mache, müsse sich auch an deutsches Wettbewerbsrecht halten. Der Verband wirft Temu vor, „den fairen Wettbewerb zu untergraben“ und durch Preisdiktate Marktmechanismen außer Kraft zu setzen.

Politiker verschiedener Parteien begrüßten das Vorgehen des Kartellamts. Es sei nicht hinnehmbar, dass internationale Plattformen auf dem deutschen Markt agierten, ohne sich an gleiche Spielregeln zu halten wie heimische Anbieter. Die Forderung nach einer stärkeren europäischen Regulierung solcher Plattformen wird dadurch erneut lauter.

Wie Temu den deutschen Markt eroberte

Temu trat 2023 offiziell in den deutschen Markt ein und öffnete 2024 auch für deutsche Händler. Innerhalb kürzester Zeit stieg die Plattform zu einem der meistgenutzten Online-Marktplätze auf. Das Konzept ist einfach: Händler aus aller Welt, insbesondere aus Asien, bieten über die Plattform ihre Produkte an – meist zu extrem niedrigen Preisen.

Monatlich nutzen mehr als 100 Millionen Menschen in Europa das Angebot von Temu, davon ein erheblicher Anteil aus Deutschland. Das Wachstum war explosionsartig: Innerhalb eines Jahres gelang es der Plattform, traditionelle Anbieter wie eBay in einzelnen Segmenten zu überholen. Besonders beliebt sind Haushaltswaren, Kleidung, Elektronik und Beauty-Artikel.

Die aggressive Preisstrategie von Temu basiert auf hohen Rabatten, Mengenrabatten und intensiver Werbung in sozialen Medien. Auch durch Influencer-Kampagnen auf TikTok und Instagram erreichte die Marke ein junges Publikum. Der Slogan „Shop like a billionaire“ wurde in kürzester Zeit zu einem viralen Marketing-Erfolg.

Kritik und Kontroversen

Trotz des Erfolges bleibt die Kritik an Temu massiv. Verbraucherschützer und Politiker werfen dem Unternehmen vor, unfaire Bedingungen für Händler zu schaffen und gleichzeitig die Produktqualität zu vernachlässigen. Viele der über die Plattform verkauften Artikel stammen von Drittanbietern außerhalb der EU und unterliegen damit weniger strengen Sicherheits- und Qualitätskontrollen.

Immer wieder werden Fälle gemeldet, in denen Produkte nicht den europäischen Normen entsprechen – etwa Spielzeug ohne CE-Kennzeichnung oder elektronische Geräte mit fehlender Sicherheitszertifizierung. Auch Umweltorganisationen kritisieren Temu wegen undurchsichtiger Lieferketten und möglicher Verletzungen von Arbeitsstandards in asiatischen Produktionsstätten.

Händler wiederum bemängeln, dass Temu sie unter Preisdruck setzt, was langfristig lokale Anbieter und kleine Online-Shops schwächen könnte. Zudem wird Temu vorgeworfen, aggressive Werbealgorithmen einzusetzen, um Produkte mit höheren Margen zu bevorzugen.

Zentrale Punkte des Kartellamtsverfahrens

UntersuchungsbereichBeschreibungMögliche Folgen
Preisbindung und VorgabenHändler sollen ihre Preise nur bis zu einem festgelegten Prozentsatz des Marktwerts anbieten dürfen.Eingriff in die Preisfreiheit, potenzieller Wettbewerbsverstoß
EndpreisfestlegungVerdacht, dass Temu selbst Endverkaufspreise bestimmt.Marktverzerrung, Benachteiligung unabhängiger Händler
WettbewerbsverhaltenÜberprüfung, ob Temu durch Rabattaktionen und Preisbindung den Wettbewerb ausschaltet.Sanktionen oder Bußgelder
Kundenschutz und TransparenzPrüfung, ob Verbraucher ausreichend über Herkunft und Qualität informiert werden.Verpflichtung zu strengeren Offenlegungspflichten

Das Verfahren steht noch am Anfang. Eine endgültige Entscheidung wird frühestens 2026 erwartet. Sollte sich der Verdacht bestätigen, drohen dem Unternehmen hohe Strafen und mögliche Beschränkungen für den deutschen Markt.

Parallele Verfahren in der EU

Auch auf europäischer Ebene steht Temu unter Druck. Die EU-Kommission hat bereits im Sommer 2025 ein Verfahren im Rahmen des Digital Services Act eingeleitet. Grund sind Bedenken hinsichtlich des Verbraucherschutzes und des Umgangs mit illegalen Produkten. Untersuchungen ergaben, dass auf Temu zahlreiche Artikel angeboten werden, die nicht den EU-Sicherheitsstandards entsprechen, darunter Kinderspielzeug und elektronische Geräte.

Die Kommission prüft zudem, ob Temu Daten seiner Nutzer ausreichend schützt und wie das Unternehmen mit der Verantwortung für Drittanbieter umgeht. Temu wird als „sehr große Online-Plattform“ (VLOP) eingestuft, wodurch strengere Transparenz- und Kontrollpflichten gelten.

Sollte das Bundeskartellamt ähnliche Verstöße feststellen, könnte dies zu einer Doppelbelastung führen – sowohl durch nationale als auch durch europäische Sanktionen.

Was Händler jetzt beachten sollten

Für Händler, die ihre Produkte über Temu vertreiben, ergeben sich durch das Verfahren wichtige Konsequenzen. Experten raten, bestehende Vertragsbedingungen genau zu prüfen und mögliche Preisbindungen zu dokumentieren. Wer den Verdacht hat, dass Temu unzulässige Preisvorgaben macht, sollte rechtlichen Rat einholen.

Empfehlungen für Händler:

  • Preisstrukturen unabhängig festlegen und dokumentieren.
  • Klauseln zur Preisbindung oder Rabattlimits kritisch prüfen.
  • Eigene Onlineshops oder alternative Plattformen als Ausgleichskanal aufbauen.
  • Informationen über laufende Verfahren und Gesetzesänderungen regelmäßig verfolgen.

Auch Verbraucher sollten beim Online-Einkauf aufmerksam bleiben. Sehr niedrige Preise können ein Hinweis auf mangelhafte Qualität oder fehlende Sicherheitsstandards sein.

Bedeutung für den deutschen Online-Handel

Das Verfahren gegen Temu könnte weitreichende Folgen haben – nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern für den gesamten Online-Handel. Wenn die Wettbewerbsbehörde beweist, dass Plattformen aktiv in die Preisgestaltung eingreifen, wird dies neue Standards für den E-Commerce setzen.

Das Beispiel Temu verdeutlicht, wie stark internationale Plattformen inzwischen den deutschen Markt beeinflussen. Gleichzeitig zeigt es, dass Regulierungsbehörden bereit sind, einzugreifen, sobald wirtschaftliche Fairness gefährdet ist. Das Kartellamt könnte mit diesem Fall ein Präzedenzurteil schaffen, das auch für andere große Plattformen wie Shein oder AliExpress gilt.

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