Istanbul im Ausnahmezustand: Hunderttausende demonstrieren seit zehn Tagen

Seit zehn Tagen hält eine beispiellose Protestwelle die Türkei in Atem. Hunderttausende Menschen gehen täglich auf die Straßen, vor allem in Istanbul, um gegen die Verhaftung von Ekrem Imamoglu zu demonstrieren – dem wichtigsten Oppositionspolitiker des Landes und Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der Unmut richtet sich nicht nur gegen die Inhaftierung, sondern gegen das gesamte politische System, das viele als zunehmend autoritär empfinden. Die Bewegung wächst – und mit ihr die Frage, ob die Regierung die Kontrolle verliert. Darüber berichtet RENEWZ unter Berufung auf New York Post.
Die Verhaftung des Oppositionsführers als Auslöser
Ekrem Imamoglu, Bürgermeister von Istanbul und führender Politiker der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), wurde am 19. März festgenommen. Die Vorwürfe: angebliche Finanzdelikte und Verbindungen zu kurdischen Aufständischen. Seine Unterstützer sehen darin ein politisches Manöver, um ihn als aussichtsreichsten Herausforderer von Präsident Erdogan auszuschalten. Die Verhaftung löste in zahlreichen Städten Proteste aus, allen voran in Istanbul.
Eine Bewegung wächst – und vereint
Am zehnten Tag der Proteste versammelten sich laut Angaben der CHP rund 2,2 Millionen Menschen im Istanbuler Stadtteil Maltepe. Unabhängige Stellen konnten diese Zahl bisher nicht bestätigen. Die Teilnehmer schwenkten türkische Fahnen und Plakate mit dem Porträt Imamoglus, aus dessen Haft ein Brief an die Menge verlesen wurde. „Die Nation ist vereint gegen die Unterdrücker“, hieß es darin. „Man kann mich einsperren, so oft man will – das Volk wird jede Falle und jeden Plan durchkreuzen.“
Aufruf zu Neuwahlen und Rücktritt Erdogans
Viele Demonstrierende fordern nicht nur die Freilassung Imamoglus, sondern auch den Rücktritt Erdogans und vorgezogene Neuwahlen. Der nächste reguläre Präsidentschaftswahltermin ist für 2028 angesetzt. Doch unter den Protestierenden wächst die Überzeugung, dass die Regierung ihre Legitimität verloren hat. „Wenn wir auf die Geschichte der Menschheit blicken, sehen wir, dass Völker überall dort siegten, wo sie gegen Unterdrückung Widerstand leisteten“, sagte der pensionierte Lehrer Bunyamin Turan auf der Kundgebung.
Eskalation der Repressionen
Seit Beginn der Proteste wurden laut dem türkischen Innenministerium knapp 1.900 Menschen festgenommen, 260 von ihnen befinden sich in Untersuchungshaft. Studierende und junge Aktivisten brannten Leuchtfackeln und marschierten in Richtung Rathaus, um ihre Solidarität mit Imamoglu zu zeigen. Die Behörden setzen ihre harte Linie gegen die Opposition fort, während sich der Widerstand in immer breiteren Teilen der Gesellschaft manifestiert.
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