Humanoide Roboter auf der Automatica 2025: Zwischen Hype, Technik und Realität

Hype vs. Realität: Der Roboter der Zukunft – heute? Auf Werbevideos großer Hersteller wie Tesla oder Figure AI sieht es aus, als könnten zweibeinige humanoide Roboter bald menschliche Arbeitskräfte in der Industrie vollständig ersetzen. Doch ein Rundgang auf der Automatica 2025, Europas Leitmesse für Robotik, zeigt ein anderes Bild: Zwar ist das Interesse groß, doch der Stand der Technik bleibt hinter den Visionen zurück.
Von rund 1.200 ausgestellten Robotern auf der Messe sind die meisten nach wie vor klassische Industrieroboter: stationäre, programmierte Arme. Humanoide Maschinen – also Roboter mit zwei Armen, zwei Beinen und menschenähnlicher Form – stellen nur einen Bruchteil dar. Dennoch standen sie im Mittelpunkt vieler Diskussionen. Darüber berichtet Renewz.de unter Berufung auf einen Beitrag von t3n zur Automatica 2025.
Wie Roboter heute "denken"
Was heutige humanoide Roboter antreibt, sind Vision Language Models (VLMs) – KI-Systeme, die durch multimodales Training (Text, Bild, Video) einfache Anweisungen wie „Gib mir die Tasse“ in präzise Einzelschritte umwandeln können. Diese beinhalten:
- Objekterkennung via Kamera
- Greifersteuerung und Bewegungsplanung
- Navigation im Raum
Doch die Realität zeigt: VLMs stoßen schnell an Grenzen. Sie sind nicht gut im langfristigen Planen, und viele Modelle funktionieren nur in kontrollierten Umgebungen. Das führt dazu, dass viele Hersteller auf Simulationen zurückgreifen – insbesondere mit Plattformen von Nvidia. Doch der Transfer in die reale Welt bleibt komplex und fehleranfällig.
Neura Robotics: Innovation aus Deutschland
Eine Ausnahme in der US- und China-dominierten Szene ist Neura Robotics, ein deutsches Unternehmen, das mit seinem humanoiden Roboter 4NE1 (For Anyone) auf der Messe viel Aufmerksamkeit erhielt.
Besondere Merkmale
- Zweiarmiger, mobiler Roboter mit Tragkraft bis zu 10 kg
- Omnisensor-Technologie zur Unterscheidung von Menschen und Objekten
- Keine Sicherheitskäfige nötig
- Modulare KI-Steuerung: Vision-, Sprach- und Bewegungsmodule interagieren in Echtzeit
- Konzept: „Kognitive Robotik“ über ein internes „Model Zoo“-System
Neura positioniert den Roboter als kollaborativ, flexibel und lernfähig – geeignet für reale Arbeitsumgebungen. Doch auf der Messe blieb 4NE1 weitgehend statisch.
Offene Fragen zur Sicherheit
Ein zentrales Problem: Es fehlen Standards und Zertifizierungen für autonome humanoide Roboter. Konventionelle Industrieroboter sind berechenbar – ihre Bewegungen folgen fest definierten Abläufen. Bei humanoiden, KI-gesteuerten Maschinen ist das anders: Sie agieren auf Basis probabilistischer Entscheidungsprozesse, die schwer vorherzusagen sind.
Das bedeutet
- Unklare Haftung bei Fehlern
- Fehlende Richtlinien für den Umgang mit Ausfällen (z. B. Stromausfall bei einem laufenden Roboter)
- Hohes Sicherheitsrisiko in offenen Arbeitsbereichen
Deshalb testen Konzerne wie BMW humanoide Roboter von Figure AI derzeit nur in den USA, wo rechtliche Vorgaben flexibler sind.
Ist die Industrie bereit
Industrievertreter zeigten sich interessiert – aber vorsichtig. Ein Hauptargument für humanoide Roboter: Sie könnten bestehende Arbeitsplätze übernehmen, ohne dass Prozesse oder Infrastruktur angepasst werden müssen. Doch in der Praxis sind viele dieser Maschinen noch nicht stabil genug:
- Schon wechselndes Licht oder ein ungewohnter Bodenbelag können Störungen verursachen
- Viele Bewegungen müssen immer noch manuell trainiert werden
- Zahlreiche Modelle sind aktuell noch ferngesteuert oder passiv
Die Automatica 2025 zeigt: Die Grundlagen für den Einsatz humanoider Roboter sind gelegt – doch der Weg zur Alltagstauglichkeit ist weit. Autonome, zweibeinige Roboter, die sicher, stabil und zuverlässig in offenen, dynamischen Umgebungen agieren, sind derzeit noch eine Vision.
Was bleibt, ist der Fortschritt: Sensorik, KI-Integration, modulare Steuerungssysteme – sie werden immer besser. Aber echte Arbeit in der Industrie verlangt mehr als eine Demo – sie verlangt Verlässlichkeit auf Produktionsniveau. Und dahin ist es noch ein weiter Weg.
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Foto: Wolfgang Stieler / MIT Technology Review