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Dänemark entschuldigt sich für Zwangsverhütung von Inuit-Frauen

Dänemark entschuldigt sich für Zwangsverhütung von Inuit-Frauen

September 5, 2025
Monika Schmidt
Dänemark entschuldigt sich für Zwangsverhütung in Grönland. Tausende Inuit-Frauen erhielten Spiralen ohne Zustimmung. Untersuchung läuft bis 2025, Opfer fordern Gerechtigkeit.

Zwangsverhütung Grönland, Dänemark Entschuldigung, Spiralen-Skandal, Inuit Frauenrechte, Kolonialgeschichte – mehr als 4.500 grönländische Mädchen und Frauen wurden seit den 1960er-Jahren ohne ihr Einverständnis mit Spiralen zwangsverhütet. Erst im August 2025 entschuldigte sich die dänische Regierung offiziell für dieses dunkle Kapitel. Für viele Betroffene kommt die Anerkennung zu spät – ein halbes Jahrhundert nach dem Eingriff in ihre Körper und Leben. Doch ohne Aufarbeitung bleibt das Verhältnis zwischen Dänemark und Grönland schwer belastet, berichtet Renewz.de.

Das Problem – staatlich organisierte Eingriffe in Körper und Leben

Die „Spiralen-Affäre“ gilt heute als eines der dunkelsten Kapitel in der Beziehung zwischen Dänemark und seiner ehemaligen Kolonie Grönland. Unter staatlicher Aufsicht wurden ab Mitte der 1960er-Jahre tausende Mädchen und Frauen ohne Aufklärung und Zustimmung mit Intrauterinpessaren (IUDs) ausgestattet.

  • Teilweise handelte es sich um Minderjährige ab 12 Jahren.
  • Eltern oder Erziehungsberechtigte wurden oft nicht informiert.
  • Betroffene berichten von chronischen Schmerzen, Unfruchtbarkeit und psychischen Traumata.

Erst 2025 bat Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen offiziell um Vergebung: „Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen. Aber wir können Verantwortung übernehmen.“

Wie es entstand – Kolonialpolitik unter dem Deckmantel der Modernisierung

Die Politik der Zwangsverhütung entstand in einer Zeit, in der Grönland eng an Dänemark gebunden war. Die Inuit-Bevölkerung wuchs stark, und in Kopenhagen wuchs die Sorge, dass sich das Land wirtschaftlich und sozial nicht „modernisieren“ ließe.

Offiziell argumentierten Behörden, man wolle Teenagerschwangerschaften verhindern und jungen Frauen „Zukunftsperspektiven“ eröffnen. In Wirklichkeit diente die Praxis dazu, die Geburtenrate der Inuit zu senken und so den demografischen Wandel zugunsten der dänischen Zuwanderer zu beschleunigen.

Die Eingriffe wurden von Ärzten in Schulen und Krankenhäusern durchgeführt. Viele Frauen erfuhren erst Jahre später, dass sie Opfer einer staatlichen Maßnahme geworden waren.

Die Chronologie der Spiralen-Affäre

JahrEreignisBedeutung
1966Beginn des ProgrammsErste Einsätze von Spiralen bei Mädchen ab 12 Jahren
1970erErste Proteste in GrönlandWachsende Kritik, aber kein Stopp
1979Einführung der Selbstverwaltung (Home Rule)Politische Autonomie wächst, Praxis geht zurück
1991/92Übergang des Gesundheitswesens an GrönlandEndgültiges Ende der Zwangseinsätze
2017DR-EnthüllungAlte Akten belegen Ausmaß, Opfer melden sich
2022Untersuchungskommission eingesetztAuftrag: Aufarbeitung und Klärung der Verantwortung
27.08.2025Entschuldigung FrederiksensSymbolischer Wendepunkt
01.09.2025Erwarteter AbschlussberichtGrundlage für Entschädigungen

Juristische Aufarbeitung – Klagen und Forderungen

Bis heute haben 143 Frauen Klage gegen den dänischen Staat eingereicht. Sie fordern rund 43 Millionen Kronen (5,7 Millionen Euro) Schadensersatz.

Die unabhängige Kommission untersucht aktuell:

  • Welche Ministerien die Anweisungen erteilten.
  • Welche Ärzte und Kliniken verantwortlich waren.
  • Ob die Praxis bewusst verschleiert wurde.

Internationale Parallelen – Dänemark ist kein Einzelfall

Dänemark steht mit diesem Skandal nicht allein da. Weltweit wurden indigene oder marginalisierte Gruppen Opfer ähnlicher Programme:

  • Schweden: Von den 1930er bis 1970er Jahren wurden rund 60.000 Menschen sterilisiert, oft unter Zwang, offiziell zur „Verbesserung der Volksgesundheit“.
  • Norwegen: Roma-Frauen und Sinti litten unter Zwangssterilisationen bis in die 1970er Jahre.
  • USA: In den 1960er/70er Jahren wurden zehntausende indigene Frauen sterilisiert, teilweise ohne Wissen der Betroffenen.
  • Kanada: Bis in die 1990er dokumentiert; indigene Frauen, insbesondere First Nations und Inuit, betroffen.

Die grönländische „Spiralen-Affäre“ reiht sich damit in ein globales Muster ein: Staaten nutzten Geburtenkontrolle als Werkzeug kolonialer oder rassistischer Politik.

Offene Fragen und die Bedeutung für heute

Die Entschuldigung ist ein wichtiger Schritt. Doch Betroffene und Aktivisten betonen, dass es ohne:

  • finanzielle Entschädigungen,
  • medizinische und psychologische Unterstützung,
  • klare historische Aufarbeitung

keine echte Versöhnung geben kann.

Für viele in Grönland bleibt die Spiralen-Affäre ein Symbol für das Machtgefälle zwischen Kopenhagen und Nuuk – und ein Mahnmal dafür, wie Frauenkörper zu politischen Objekten gemacht wurden.

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