E-Mobilität & EnWG: Was bringt die neue Regelung zum bidirektionalen Laden wirklich

Der Bundestag hat eine der wichtigsten Barrieren für bidirektionales Laden aufgehoben: Rückgespeister Strom aus E-Auto-Batterien wird künftig nicht mehr doppelt mit Netzentgelten belastet. Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und des Stromsteuerrechts stellt Elektrofahrzeuge regulatorisch stationären Speichern gleich – also Anlagen, die bereits heute nur einmal Netzentgelte zahlen. Damit entsteht erstmals ein wirtschaftlich tragfähiger Rahmen für Vehicle-to-Grid (V2G), bei dem E-Autos Energie aus dem Netz aufnehmen und später wieder einspeisen können.
Darüber berichtet Renewz.de unter Berufung auf den Deutschen Bundestag, der die Reform im Rahmen der Energiegesetzgebung 2025 verabschiedete.
Wie ändert sich die Behandlung von Speicherstrom – und wer profitiert
Bisher galt rückgespeister Strom rechtlich als erneuter „Verbrauch“. Das führte zu doppelten Entgelten:
- beim Laden der Batterie,
- und erneut beim Einspeisen ins Netz.
Mit der Reform entfällt diese Doppelbelastung. Künftig gilt:
- Strom aus einer Fahrzeugbatterie wird energiewirtschaftlich wie Speicherstrom behandelt.
- Betreiber von E-Autos können rückgespeiste Strommengen netzentgeltfrei bereitstellen.
- Auch die Stromsteuer wird in zentralen V2G-Fällen reduziert.
Davon profitieren:
✔ Betreiber privater Speicher und bidirektionaler Wallboxen
✔ E-Auto-Besitzer mit flexiblen Tarifen
✔ Netzbetreiber, die zusätzliche Netzstabilität erhalten
✔ Energieversorger mit neuen Flexibilitätsangeboten
Ab wann funktioniert V2G praktisch? Der Zeitplan
Die wichtigsten Änderungen treten gestaffelt in Kraft:
- Ab 1. Januar 2026:
Netzentgeltbefreiung für rückgespeisten Speicherstrom. - Ab 1. April 2026:
Einführung der neuen Bilanzierungsregeln der Bundesnetzagentur (MiSpeL). Diese definieren, wie Speicherstrom gemessen und bilanziert wird – eine Voraussetzung für V2G-Tarife. - Ab Ende 2026 bis 2027:
Technische Umsetzung durch Netzbetreiber → 6–12 Monate Anpassungszeit. - Ab 2027:
Markthochlauf mit ersten flächendeckenden V2G-Produkten.
Ein Engpass bleibt:
➡ Deutschland braucht deutlich schnellere Smart-Meter-Installationen. Ohne intelligente Messsysteme ist V2G nur eingeschränkt nutzbar.
Speicherpotenzial: Ein virtuelles Kraftwerk aus 1,65 Mio. Elektroautos
In Deutschland sind derzeit rund 1,65 Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen. Wird nur ein Viertel davon bidirektional nutzbar, entsteht laut Branchenanalysen folgendes Potenzial:
- 3,3 bis 5 GWh dezentraler Speicher,
- 1,0 bis 1,5 GW flexible Leistung,
- also ein virtuelles Kraftwerk in der Größe eines Gaskraftwerks.
Das ermöglicht:
- bessere Integration von Wind- und Solarstrom,
- Entlastung der Netze bei Spitzenlast,
- Reduktion langfristiger Systemkosten.
Unternehmen wie The Mobility House betonen, dass nun erstmals ein realer wirtschaftlicher Anreiz entsteht, E-Autos als Speicher zu nutzen.
Industrie und Verbände: Zustimmung – aber auch Kritik
Der VDA nennt bidirektionales Laden eine „Schlüsseltechnologie der Energiewende“.
Positiv bewertet werden:
- Abbau regulatorischer Barrieren
- Gleichstellung mit Großspeichern
- Teilentlastung bei der Stromsteuer
Kritikpunkt bleibt:
Die Stromsteuerbefreiung gilt zunächst nur für bestimmte Anwendungsfälle – insbesondere E-Auto-Besitzer mit eigener Photovoltaikanlage.
Der VDA fordert daher:
- vollumfassende Steuerentlastung für alle V2G-Fälle
- einfachere Messkonzepte
- schnellen Markthochlauf der Infrastruktur
Energy Sharing & Smart Meter: Weitere wichtige Bausteine des Pakets
Mit der EnWG-Novelle werden weitere Regelungen angepasst:
1. Energy Sharing
- Bürgerenergiegenossenschaften können Strom gemeinschaftlich nutzen.
- Auch kommunale Kleinbetriebe erhalten Zugang zu kollektiven Strommodellen.
2. Netzanschlussregeln
- vereinfachte Verfahren für dezentrale Anlagen
- bessere Teilhabe kleiner Akteure am Strommarkt
3. Smart-Meter-Rollout
- Bundestag fordert härtere Sanktionen für Betreiber, die den Ausbau verzögern.
- Kooperationen zwischen Messstellenbetreibern werden erleichtert.
Ohne intelligente Messsysteme bleibt V2G jedoch technisch begrenzt.
Praxis-Tipps: Was Verbraucher schon jetzt tun können
1. Wallbox-Kompatibilität prüfen
Viele private Ladestationen unterstützen bidirektionales Laden noch nicht. Käufer sollten auf Standards wie ISO 15118-20 achten, die V2G technisch ermöglichen.
2. Auf dynamische Stromtarife achten
Auch ohne V2G lohnt sich ein Tarif, der auf stündliche Börsenpreise reagiert. Ab 2026 werden viele Anbieter solche Tarife mit V2G kombinieren.
3. Smart Meter frühzeitig installieren lassen
Bidirektionales Laden wird ohne intelligente Messsysteme kaum möglich sein. Verbraucher können sich bei ihrem Messstellenbetreiber aktiv auf die Warteliste setzen lassen.
4. Fahrzeugmodelle vergleichen
Nicht jedes E-Auto unterstützt V2G. Aktuell vorbereitet sind z. B.:
- Hyundai Ioniq-Serie
- Kia EV-Modelle
- Volkswagen ID.-Modelle (Software-Update angekündigt)
- Nissan Leaf (V2G seit Jahren getestet)
5. Förderung der Länder prüfen
Einige Bundesländer fördern Wallboxen mit Speicher- oder V2G-Funktion. Das lohnt sich besonders für Hausbesitzer mit PV-Anlagen.
6. Eigenen Fahrbedarf analysieren
Wer täglich nur wenige Kilometer fährt, hat ein höheres Potenzial, Batteriekapazität ins Netz einzuspeisen — und später davon finanziell zu profitieren.
7. Netzbetreiber-Konditionen beobachten
Sobald die MiSpeL-Regeln greifen, werden Netzbetreiber erste V2G-Pilotprogramme veröffentlichen. Früh anzumelden lohnt sich, weil oft Teilnehmerzahlen begrenzt sind.
8. Auf Wartung und Garantie achten
Bidirektionales Laden beansprucht den Akku. Verbraucher sollten prüfen:
- ob der Hersteller V2G offiziell freigibt,
- ob die Batteriegarantie darunter fällt.
9. PV + V2G als Kombi denken
Hausbesitzer können überschüssigen Solarstrom im Auto speichern und später zur Spitzenlast wieder einspeisen. Das erhöht die Eigenverbrauchsquote und senkt langfristig die Stromkosten.
10. Informationen direkt bei Bundesnetzagentur & Bundesministerium abrufen
Da Regeln 2026–2027 mehrfach angepasst werden, hilft es, sich auf offiziellen Seiten zu orientieren:
- bundesnetzagentur.de
- bmwk.de
- bundestag.de
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