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Mord an Andrij Parubij in Lwiw: Ein Attentat mit Signalwirkung für die Ukraine

Mord an Andrij Parubij in Lwiw: Ein Attentat mit Signalwirkung für die Ukraine

August 30, 2025
Monika Schmidt
Am 30. August 2025 wurde der frühere Parlamentspräsident Andrij Parubij in Lwiw erschossen. Die Ermittlungen laufen, Polizei und SBU suchen nach dem Täter.

Am Mittag des 30. August 2025 ist der ehemalige Parlamentspräsident der Ukraine, Andrij Wolodymyrowytsch Parubij (54), in Lwiw erschossen worden. Die Tat ereignete sich im Stadtteil Frankiw nahe der Yefremova-Straße, unweit seiner Wohnung. Augenzeugen berichten von einem Mann, der sich in der Kleidung eines Kurierfahrers näherte und mehrere Schüsse aus nächster Nähe abgab. Parubij erlag noch am Tatort seinen Verletzungen. Der Täter flüchtete auf einem E-Bike – ein Hinweis auf minutiöse Planung und logistische Vorbereitung. Die Polizei stellte acht Patronenhülsen sicher. Darüber berichtet Renewz, unter Berufung auf The Guardian.

Mord an Andrij Parubij in Lwiw: Ein Attentat mit Signalwirkung für die Ukraine

Die Ermittlungen laufen auf höchster Ebene: Nationalpolizei, SBU und Generalstaatsanwaltschaft haben Spezialteams entsandt, es wurden Sperrzonen errichtet und Überwachungskameras ausgewertet. Präsident Wolodymyr Selenskyjsprach in einer ersten Stellungnahme von einem „gezielten, zynischen Mordanschlag“, der die Ukraine „in einer Phase der äußersten Anspannung treffen soll“.

Ermittlungen zwischen Politik und Kriminalfall

Offiziell lautet das Verfahren „vorsätzlicher Mord“. Doch die Behörden prüfen mehrere Hypothesen:

  • Politisches Attentat – Parubij war als Symbolfigur des Euromaidan und als ehemaliger Sicherheitsratssekretär ein möglicher Zielmann für ausländische Dienste oder radikale Gruppen.
  • Nachrichtendienstlicher Hintergrund – die Methode (Verkleidung, schnelle Flucht, präzise Ausführung) deutet auf Professionalität.
  • Persönliches Motiv – bisher keine Belege, doch ausgeschlossen wird auch ein privater Konflikt nicht.

Bemerkenswert ist, dass keine unmittelbaren Bekennerschreiben vorliegen – ein Unterschied zu jüngsten Anschlägen auf ukrainische Militärs oder Journalisten. Die Ermittler gehen daher von einem Auftragsmord aus, bei dem die Spuren bewusst verschleiert wurden.

Biografische Skizze: Vom Nationalisten zum Parlamentspräsidenten

Geboren 1971 in Lwiw, stieg Parubij früh in die Politik ein. Er studierte Geschichte an der Universität Lwiw und erwarb später einen Abschluss in Politikwissenschaft an der Polytechnischen Universität. Schon während seiner Studienzeit war er ein Aktivist der nationalen Befreiungsbewegung gegen die sowjetische Dominanz, mehrfach kurzzeitig inhaftiert.

1991 gründete er gemeinsam mit Oleh Tjahnybok die Sozial-Nationale Partei der Ukraine – eine Formation, die wegen nationalistischer Symbolik stark umstritten war. In den 2000er Jahren wandte sich Parubij moderateren Kräften zu und wurde Abgeordneter im ukrainischen Parlament, wo er sich auf Außen- und Sicherheitspolitik konzentrierte.

Der Mann des Maidan

Seine eigentliche politische Bedeutung erlangte Parubij im Winter 2013/14: Während der Maidan-Proteste leitete er die „Selbstverteidigung des Maidan“ und koordinierte die Barrikaden rund um das Regierungsviertel in Kiew. Für Unterstützer war er ein Garant für Organisation und Disziplin; Kritiker warfen ihm vor, paramilitärische Strukturen begünstigt zu haben.

Nach dem Sturz von Präsident Janukowytsch wurde er Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsratesund war damit direkt in die erste Phase des Krieges im Donbas sowie in die Reaktion auf die Annexion der Krimeingebunden. Seine Rolle blieb umstritten: Während er im Westen als verlässlicher proeuropäischer Partner galt, kritisierten Gegner seine Nähe zu nationalistischen Milieus.

Parlamentspräsident und europäischer Kurs

Von April 2016 bis August 2019 stand Parubij als Präsident der Werchowna Rada an der Spitze des ukrainischen Parlaments. In dieser Zeit setzte er die Agenda der europäischen Integration um: Reform des Wahlrechts, Dezentralisierung, Stärkung der Gemeinden, engere Zusammenarbeit mit NATO und EU. Er galt als verlässlicher Netzwerker mit Kontakten zu westlichen Parlamenten und Think-Tanks.

Parubij förderte die Idee einer Ostsee-Schwarzmeer-Allianz – ein geopolitisches Konzept, das als Gegengewicht zu russischem Einfluss dienen sollte. Auch nach seiner Amtszeit blieb er als Abgeordneter ein wichtiger Kopf im sicherheits- und verteidigungspolitischen Ausschuss.

Ehrungen und Familie

Mord an Andrij Parubij in Lwiw: Ein Attentat mit Signalwirkung für die Ukraine

Für seine Verdienste erhielt Parubij u. a. den Orden des Fürsten Jaroslaw des Weisen V. Klasse, den Verdienstorden III. Klasse sowie kirchliche Auszeichnungen. Patriarch Bartholomäus ehrte ihn mit dem Orden des Heiligen Andreas des Erstberufenen.

Er war verheiratet und Vater einer Tochter. Seine Familie galt in Lwiw als fest verankert; sein Großvater kämpfte in Befreiungsformationen, was Parubijs eigenes Selbstverständnis prägte.

Schockwellen in Politik und Gesellschaft

Der Mord löste landesweite Bestürzung aus. Ex-Präsident Petro Poroschenko sprach von einem „Attentat auf die ukrainische Demokratie“. Vertreter der Zivilgesellschaft erinnerten an Parubijs Rolle als „Architekt der Freiheit auf dem Maidan“. Auch internationale Partner äußerten sich: Aus Brüssel hieß es, der Mord sei ein „Angriff auf die politische Stabilität der Ukraine“.

In den Straßen von Lwiw legten Bürger Blumen nieder, Kerzen brannten am Tatort. Der Mord an Parubij wird bereits jetzt als einschneidendes Ereignis für das politische Selbstverständnis der Ukraine gewertet – vergleichbar mit den Attentaten auf Journalisten oder Aktivisten in den letzten Jahren.

Offene Fragen und strategische Folgen

Die Ermittlungen stehen noch am Anfang. Doch bereits jetzt stellen sich zentrale Fragen:

  • War Parubij das Ziel ausländischer Dienste, um die politische Elite zu destabilisieren?
  • Gab es Hinweise auf Bedrohungen, die übersehen wurden?
  • Welche Sicherheitslücken bestehen beim Schutz prominenter Persönlichkeiten in Kriegszeiten?

Sollten sich Verbindungen ins Ausland bestätigen, hätte die Tat geopolitische Dimensionen – weit über die Ukraine hinaus. Auch im Inneren droht die Gefahr, dass das Vertrauen in die staatlichen Sicherheitsorgane Schaden nimmt.

20 Fakten aus dem Leben von Andrij Parubij

  1. Frühe Herkunft
    Andrij Parubij wurde 1971 in Lwiw geboren, einer Stadt mit starker nationaler Identität. Schon die Familie war vom Geist der ukrainischen Unabhängigkeit geprägt.
  2. Bildung
    Er studierte Geschichte an der Iwan-Franko-Universität in Lwiw. Später vertiefte er sich in Politikwissenschaft und legte eine Dissertation an der Polytechnischen Universität Lwiw ab.
  3. Jugendlicher Aktivist
    Bereits als Student engagierte er sich in Demonstrationen gegen die sowjetische Herrschaft. Für diese Aktivitäten wurde er mehrmals kurzzeitig festgenommen.
  4. Parteigründer
    1991 gründete er gemeinsam mit Gleichgesinnten die Sozial-Nationale Partei der Ukraine. Sie war nationalistisch geprägt und wurde später Teil der Partei „Swoboda“.
  5. Lokalpolitik in Lwiw
    In den 1990er Jahren war er Mitglied des Stadtrates von Lwiw. Dort arbeitete er an Projekten zur Förderung der ukrainischen Sprache und Kultur.
  6. Eintritt in die nationale Politik
    Zu Beginn der 2000er Jahre zog er erstmals in die Werchowna Rada ein. Damit begann sein Weg in die große Politik.
  7. Annäherung an proeuropäische Kräfte
    2007 wechselte er in das Lager von Präsident Viktor Juschtschenko. Mit diesem Schritt distanzierte er sich sichtbar von radikaleren nationalistischen Positionen.
  8. Maidan-Proteste 2013/14
    Im Winter 2013/14 wurde er zur Schlüsselfigur des Euromaidan. Als „Kommandant“ organisierte er die Selbstverteidigung und den Schutz der Demonstranten.
  9. Symbol und Polarisierung
    Für viele Ukrainer verkörperte er Mut und Organisation. Seine Gegner kritisierten jedoch den Aufbau paramilitärischer Strukturen.
  10. Sekretär des Sicherheitsrates
    Nach der Revolution der Würde wurde er 2014 zum Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates ernannt. Dort musste er die ersten militärischen Antworten auf die Annexion der Krim koordinieren.
  11. Rücktritt im selben Jahr
    Bereits im August 2014 trat er zurück. Beobachter sprachen von tiefen Konflikten über die Strategie im Donbas.
  12. Erster Vizepräsident des Parlaments
    2015 wurde er zum ersten Vizepräsidenten der Werchowna Rada gewählt. Damit blieb er in den höchsten Staatsämtern präsent.
  13. Parlamentspräsident
    Von April 2016 bis August 2019 war er Parlamentspräsident. In dieser Zeit prägte er Gesetze für die Dezentralisierung und die Annäherung an die EU.
  14. Strategische Ideen
    Parubij war ein Verfechter einer Baltisch-Schwarzmeer-Allianz. Dieses Konzept sollte eine geopolitische Alternative zum russischen Einfluss sein.
  15. Verbindungen zum Westen
    Er pflegte enge Kontakte zu Parlamenten in Europa und zu NATO-Vertretern. Internationale Auftritte machten ihn zu einem bekannten Gesicht der ukrainischen Politik.
  16. Kontroverses Image
    Seine Vergangenheit als Gründer einer nationalistischen Partei blieb ein Kritikpunkt. Er selbst erklärte, seine Ansichten hätten sich mit dem Wandel der Ukraine verändert.
  17. Staatliche Auszeichnungen
    Für seine Arbeit erhielt er mehrere Orden, darunter den Orden des Fürsten Jaroslaw des Weisen. Auch kirchliche Ehrungen gehörten dazu.
  18. Privates Leben
    Er war verheiratet und hatte eine Tochter. Über seine Familie sprach er öffentlich kaum.
  19. Arbeit nach 2019
    Nach seiner Amtszeit blieb er Abgeordneter und arbeitete im Ausschuss für Sicherheits- und Verteidigungsfragen. Er äußerte sich regelmäßig zu Fragen der nationalen Verteidigung.
  20. Tod in Lwiw
    Am 30. August 2025 wurde er in seiner Heimatstadt Lwiw erschossen. Der Mord löste Schock und Bestürzung in der gesamten Ukraine und im Ausland aus.

Der Mord an Andrij Parubij ist nicht nur die Ermordung eines Politikers. Er ist ein politisches Signal – an die Ukraine, an ihre Verbündeten, an Russland. Er zeigt, wie verwundbar selbst prominente Köpfe des Landes im dritten Kriegsjahr sind.

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