Putin gesteht Kartoffelkrise ein – Versorgungssystem in Russland unter Druck

Am 28. Mai hat der russische Präsident Wladimir Putin im staatlichen Fernsehen bestätigt, dass Russland nicht über ausreichend Kartoffelvorräte verfügt. Die Ernte des Vorjahres sei bereits aufgebraucht. Die Erklärung erfolgte öffentlich und überraschend direkt.
Kartoffeln zählen in Russland zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Sie werden nicht nur in der täglichen Küche verwendet, sondern auch in der Spirituosenproduktion, insbesondere für traditionellen Wodka. Seit Jahresbeginn sind die Preise für Kartoffeln laut russischen Quellen um 52 Prozent gestiegen. Gleichzeitig sank die Erntemenge offiziellen Angaben zufolge um rund 12 Prozent. Ursachen sind unter anderem ungünstige klimatische Bedingungen und eine zuvor reduzierte Anbaufläche, die nach Jahren guter Ernten als ausreichend galt.
Auch Belarus, das traditionell als wichtiger Agrarlieferant für Russland gilt, kann nach Angaben der belarussischen Regierung keine zusätzliche Hilfe leisten. Präsident Alexander Lukaschenko erklärte, dass Russland bereits sämtliche Kartoffelreserven aus Belarus aufgekauft habe. Man müsse nun die Anbauflächen ausweiten, um sowohl den eigenen Bedarf als auch den Russlands künftig zu decken.
Belarus ist landwirtschaftlich stark geprägt. Die Kartoffel hatte über Jahre hinweg auch symbolische Bedeutung für das Selbstverständnis des Staates. Lukaschenko selbst war vor seiner politischen Karriere Direktor eines staatlichen Landwirtschaftsbetriebs. Dennoch wurden in den vergangenen Monaten auch dort erste Versorgungsengpässe sichtbar.
Die Regierung in Minsk reagierte in mehreren Schritten. Zunächst wurden die staatlich regulierten Gemüsepreise erhöht. In dieser Woche folgte schließlich die Aufhebung eines Einfuhrverbots für Obst und Gemüse aus der Europäischen Union. Dieses Verbot war im Dezember 2021 als Reaktion auf westliche Sanktionen verhängt worden. Die aktuelle Lockerung ist ein deutliches Zeichen dafür, dass der Handlungsdruck im Bereich der Grundversorgung wächst.
Dass Putin den Mangel öffentlich eingesteht, ist insofern bemerkenswert, als wirtschaftliche Schwächen in der Vergangenheit häufig beschönigt oder gar nicht thematisiert wurden. Die offizielle Aussage legt nahe, dass die Situation nicht mehr kontrollierbar ist, ohne dass Maßnahmen auf höchster politischer Ebene ergriffen werden.
Die aktuelle Krise zeigt die Anfälligkeit zentraler Versorgungsstrukturen in Russland und Belarus. Sie wirft ein Schlaglicht auf die strategischen Schwächen einer auf Autarkie ausgerichteten Wirtschafts- und Versorgungspolitik. Der Mangel betrifft ein Lebensmittel, das für viele Menschen alltäglich und unverzichtbar ist.
Die russische Regierung hat inzwischen landwirtschaftliche Betriebe dazu aufgefordert, Anbauflächen zu vergrößern und den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen. Ob diese Maßnahmen rechtzeitig Wirkung zeigen, ist unklar. Belarus dürfte kurzfristig nicht in der Lage sein, erneut als Ausgleich zu dienen.
Die Entscheidung in Minsk, westliche Lebensmittel wieder zuzulassen, dürfte auch in Russland aufmerksam beobachtet werden. Die wirtschaftliche Lage in beiden Ländern bleibt angespannt.
Quellen: Der Spiegel, Tagesspiegel, Morgenpost, dpa, BELTA, russisches Staatsfernsehen
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