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Frankreich und Polen senden Signal an Trump und Putin: Unterzeichnung eines globalen Verteidigungsabkommens

Frankreich und Polen senden Signal an Trump und Putin: Unterzeichnung eines globalen Verteidigungsabkommens

Mai 2, 2025
Monika Schmidt
Frankreich und Polen unterzeichnen am 9. Mai ein Verteidigungsabkommen: Europa stärkt militärische Eigenständigkeit und setzt ein klares Signal an Moskau und Washington.

Frankreich und Polen bereiten ein neues, umfassendes Verteidigungs- und Wirtschaftsabkommen vor, das weit über bilaterale Beziehungen hinausweist: Es ist ein geopolitisches Statement gegen Moskau und Washington zugleich.
Darüber berichtet Renewz.de unter Berufung auf die Financial Times.

Ein Pakt zum richtigen Zeitpunkt

Das Abkommen soll am 9. Mai in Nancy unterzeichnet werden – nur einen Tag nach dem 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Dieser symbolische Zeitpunkt unterstreicht das historische Gewicht des Pakts. Europa erinnert sich nicht nur an seine Vergangenheit, sondern definiert seine sicherheitspolitische Zukunft. Frankreich und Polen, zwei Staaten mit sehr unterschiedlichen Verteidigungstraditionen, finden in Zeiten wachsender globaler Instabilität strategisch zueinander.

Strategische Unabhängigkeit als europäisches Ziel

Mit Blick auf Donald Trumps frühere und mögliche künftige Haltung zur NATO – insbesondere zu Artikel 5 – wird in europäischen Hauptstädten über neue Sicherheitsarchitekturen diskutiert.
Polen, das bisher als einer der engsten Verbündeten der USA in Europa galt, sendet nun ein Signal: Sicherheitsgarantien dürfen nicht allein von Washington abhängen. Die Entscheidung, sich enger an Frankreich zu binden, ist auch eine Antwort auf jahrelange Spannungen über Waffenlieferungen und diplomatische Prioritäten.

Frankreich öffnet nukleare Optionen

Frankreich besitzt als einziger EU-Mitgliedstaat eigene Atomwaffen und hat seit Jahrzehnten seine „vitalen Interessen“ bewusst vage formuliert – ein zentraler Bestandteil nuklearer Abschreckung. Die Möglichkeit, dass Polen unter den französischen Schutzschirm tritt, steht politisch im Raum.
Die Details bleiben offen, doch Paris zeigt sich gegenüber der Idee einer europäischen Atomstrategie deutlich offener als in früheren Jahren. Auch in Brüssel wird diese Option zunehmend als realpolitischer Schritt zur strategischen Autonomie diskutiert.

Nancy als Ort der Neuordnung

Die Unterzeichnung in Nancy – historisch ein Ort der französisch-deutschen Annäherung – ist ein bewusst gewählter Rahmen. Macron und Tusk wollen damit mehr als nur ein Kooperationspapier präsentieren.
Beobachter rechnen nicht mit konkreten Zusagen zur nuklearen Abschreckung, wohl aber mit einem langfristigen sicherheitspolitischen Fahrplan, der neue Standards in der bilateralen Zusammenarbeit setzen soll.

Verteidigung, Wirtschaft, Energie: ein Dreiklang

Das Abkommen soll auch wirtschaftliche Komponenten beinhalten, insbesondere im Bereich der Energie.
Frankreich möchte im polnischen Energiemarkt stärker Fuß fassen, insbesondere im Zuge des Kohleausstiegs. Derzeit stammen über 70 % der Stromproduktion in Polen aus Kohle. EDF bemüht sich seit Jahren um Aufträge, verlor jedoch den Zuschlag für das erste Atomkraftwerk an die US-Firma Westinghouse – ein symbolischer Rückschlag, den Paris nun durch politischen Schulterschluss kompensieren will.

NATO bleibt, aber Europa will mehr

Weder Paris noch Warschau stellen die NATO-Mitgliedschaft infrage. Doch beide Staaten eint der Wunsch, innerhalb des Bündnisses stärker europäisch zu agieren.
Frankreich drängt auf die sogenannte „strategische Autonomie“, Polen auf operative Schlagkraft. Das neue Abkommen bringt beide Perspektiven zusammen: Macron liefert den konzeptionellen Rahmen, Tusk bringt politische Entschlossenheit und Investitionen mit – Polen plant, 2025 rund 4,7 % seines BIP für Verteidigung auszugeben, mehr als jeder andere NATO-Staat.

Deutschland sucht Anschluss

Auch in Berlin wird der Vertrag aufmerksam verfolgt. Bundeskanzler Friedrich Merz wird noch im Mai sowohl Macron als auch Tusk treffen. Beobachter erwarten, dass Deutschland prüfen wird, ob ein trilateraler sicherheitspolitischer Dialog sinnvoll sein könnte – möglicherweise sogar mit Blick auf eine abgestimmte Position zur nuklearen Abschreckung.
Deutschland, das keine eigenen Atomwaffen besitzt, könnte in einem solchen Modell eine diplomatische, logistische und industrielle Rolle spielen – insbesondere bei Luftabwehr und Rüstungsproduktion.

Industrieinteressen: Airbus, EDF und andere

Das Abkommen hat auch eine industrielle Komponente. Frankreich versucht, den Marktanteil europäischer Firmen im osteuropäischen Verteidigungsmarkt zu steigern.
Airbus bewirbt sich derzeit um Aufträge für Mehrzweckhubschrauber, Tank- und Transportflugzeuge, die im Rahmen der polnischen Flottenmodernisierung ausgeschrieben sind. Auch bei geplanten U-Boot-Käufen ist Frankreich mit im Rennen.
Der französische Anspruch ist klar: Wenn Polen europäische Sicherheit will, sollte es auch europäische Ausrüstung kaufen.

Ein Update für den Vertrag von 1991

Der neue Pakt aktualisiert ein bilaterales Abkommen von 1991 – unterzeichnet kurz nach dem Zusammenbruch des Ostblocks.
Damals war Polen ein junger, postsowjetischer Staat, der sich nach Westen orientierte. Heute ist es ein geopolitischer Schwergewichtsakteur in der EU, der strategische Angebote macht und sucht. Frankreichs Öffnung gegenüber Polen ist Teil einer breiteren Neuausrichtung gegenüber Mittel- und Osteuropa.

Europas Sicherheitsarchitektur im Wandel

Das Abkommen markiert einen Wendepunkt. Es ist Ausdruck einer neuen Realität, in der Europa sich nicht mehr allein auf die USA verlassen will – und vielleicht auch nicht kann.
Mit der geplanten Vereinbarung machen Frankreich und Polen deutlich: Sicherheit in Europa ist keine Selbstverständlichkeit – sie ist eine Aufgabe. Eine Aufgabe, die Europa künftig selbstverantwortlich übernehmen will.

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Bild von Getty Images

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