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Ostsee: Schäden an Unterseekabeln – Unfall oder russische Sabotage

Ostsee: Schäden an Unterseekabeln – Unfall oder russische Sabotage

Januar 19, 2025
Monika Schmidt
Schäden an Unterseekabeln in der Ostsee: Unfälle statt Sabotage? Ermittlungen zeigen maritime Fehler, Russland bleibt dennoch unter Verdacht. Jetzt mehr lesen!

Die jüngsten Schäden an Unterseekabeln und Energieleitungen in der Ostsee könnten auf Unfälle zurückzuführen sein und nicht, wie zunächst vermutet, auf gezielte Sabotage durch Russland. Diese Einschätzung teilen mehrere US-amerikanische und europäische Geheimdienste, berichtet RENEWZ unter Berufung auf die Washington Post. Während die Untersuchungen weiterlaufen, werfen die Vorfälle dennoch wichtige Fragen zu Europas Sicherheit und Russlands möglicher Rolle in der Region auf.

Was genau geschah? Die Vorfälle im Überblick

Die Schäden betreffen einige der wichtigsten Energie- und Kommunikationsinfrastrukturen der Ostsee. In den letzten 18 Monaten ereigneten sich mehrere Vorfälle:

  1. Dezember 2024: Der Tanker Eagle S, der russisches Öl transportierte, beschädigte das Stromkabel Estlink 2zwischen Finnland und Estland sowie vier Telekommunikationskabel im Finnischen Meerbusen.
  2. November 2024: Ein chinesisches Frachtschiff, Yi Peng 3, schnitt Datenkabel zwischen Schweden und Litauen durch.
  3. Oktober 2023: Ein Gaspipeline-Leck im Finnischen Meerbusen wurde durch das Hongkonger Schiff NewnewPolar Bear verursacht, das den Balticconnector beschädigte.

Die Folgen waren erheblich: Stromausfälle, Kommunikationsstörungen und erhebliche wirtschaftliche Schäden für die betroffenen Länder.

Unfall statt Sabotage: Die Einschätzung der Geheimdienste

Nach monatelangen Untersuchungen kommen US-amerikanische und europäische Sicherheitsdienste zu dem Schluss, dass die Vorfälle höchstwahrscheinlich durch Unfälle verursacht wurden.

Hauptgründe laut den Ermittlern:

  • Unerfahrene Besatzungen: Viele der Schiffe wurden von Crews gesteuert, die nicht ausreichend geschult waren, besonders bei schwierigen Navigationsmanövern.
  • Schlechte Wartung: Die Schiffe, darunter der Tanker Eagle S, gehören oft zur sogenannten „Schattenflotte“, die Russland beim Export von Öl unterstützt. Diese Schiffe sind in der Regel schlecht gewartet und technisch veraltet.
  • Fehlverhalten mit Ankern: Die Schäden entstanden offenbar durch Schleppanker, die versehentlich über Unterseekabel gezogen wurden.

Die bisherigen Untersuchungen zeigen keine Beweise für eine absichtliche Sabotage oder direkte Befehle aus Moskau.

Warum der Verdacht gegen Russland bleibt

Trotz der Ergebnisse gibt es Experten, die Russland weiterhin als möglichen Verursacher sehen. Sie argumentieren, dass die Schäden perfekt in ein Muster hybrider Kriegsführung passen, wie es Moskau in der Vergangenheit genutzt hat:

  1. Langfristige Planung: Russland hat über Jahrzehnte westliche Unterwasserinfrastruktur kartiert, um Schwachstellen zu identifizieren.
  2. Verdächtiges Verhalten der Schiffe: Einige Schiffe sollen ihre Anker ungewöhnlich lange geschleppt haben – ein Manöver, das normalerweise sofort korrigiert würde.
  3. Timing der Vorfälle: Die Schäden traten zu einem Zeitpunkt auf, als baltische Länder ihre Energieunabhängigkeit von Russland beschleunigten – ein für Moskau problematischer Schritt.

Pekka Toveri, ehemaliger Chef des finnischen Militärgeheimdienstes, bezeichnete die Vorfälle als „typische hybride Operation“. Russland könnte gezielt so vorgehen, dass keine eindeutigen Beweise hinterlassen werden.

Reaktionen: NATO verstärkt Schutz der Ostsee

Die Vorfälle haben nicht nur Sicherheitsbedenken geweckt, sondern auch eine schnelle Reaktion der NATO ausgelöst. Auf einem Gipfel in Helsinki am 14. Januar 2025 kündigte Generalsekretär Mark Rutte an:

  • Neue Überwachungstechnologien: Fregatten, Drohnen und Satelliten werden eingesetzt, um Sabotage frühzeitig zu erkennen.
  • Enge Zusammenarbeit: NATO-Mitgliedstaaten wie Deutschland, Schweden und Finnland werden ihre Sicherheitsmaßnahmen koordinieren.
  • Prävention: Spezielle Detektionssysteme sollen zukünftige Schäden verhindern.

Die NATO unterstreicht, dass die Sicherheit der Ostsee für die Stabilität der gesamten Region entscheidend ist.

Politische und wirtschaftliche Folgen

Die Vorfälle zeigen, wie verwundbar Europas kritische Infrastruktur ist. Besonders Unterseekabel, die für Strom, Gas und Kommunikation genutzt werden, sind anfällig für Störungen und Sabotage.

Welche Maßnahmen sind nötig?

  • Modernisierung der Infrastruktur: Europa muss veraltete Kabelsysteme ersetzen und modernste Technologien einsetzen.
  • Internationale Kooperation: Eine enge Zusammenarbeit zwischen NATO und EU ist unverzichtbar, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.
  • Striktere Kontrollen: Schiffe, die durch die Ostsee fahren, sollten verstärkt kontrolliert werden, insbesondere die „Schattenflotte“, die oft unter schlechter Wartung leidet.

Die bisherigen Ermittlungen deuten auf Unfälle hin, aber die Möglichkeit gezielter Sabotage kann nicht vollständig ausgeschlossen werden. Die Vorfälle werfen ein Schlaglicht auf die geopolitischen Spannungen in der Ostsee und die Notwendigkeit, Europas kritische Infrastruktur besser zu schützen.

Ob Unfall oder absichtliche Aktion – die Ereignisse haben gezeigt, dass Europa in der Lage sein muss, schnell und entschlossen auf Bedrohungen zu reagieren. Die nächsten Monate werden entscheidend sein, um endgültige Antworten zu finden und die Lehren aus diesen Vorfällen zu ziehen.

Erfahren Sie mehr über aktuelle und unabhängige Nachrichten sowie praktische Informationen auf RENEWZ.de! Lesen Sie auch: Ukraine-Krieg: 550 Drohnen, 60 Raketen, 660 Bomben.

Foto von Washington Post

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