(BTC)
(ETH)
(LTC)
RENEWZ.de
Finde, was zählt. Immer informiert
Ist Kaltakquise erlaubt? Was Unternehmen in Deutschland wirklich dürfen

Ist Kaltakquise erlaubt? Was Unternehmen in Deutschland wirklich dürfen

November 14, 2025
Monika Schmidt
Kaltakquise in Deutschland: Was ist erlaubt, was verboten? Mit echten Urteilen, Beispielen, Bußen und Strategien für rechtssichere B2B- und B2C-Akquise.

Kaltakquise ist einer der aggressivsten und gleichzeitig am strengsten regulierten Vertriebswege in Deutschland. Was in vielen Unternehmen zum Tagesgeschäft gehört – ein kurzer Anruf, eine neugierige E-Mail, ein „Wir wollten nur kurz fragen …“ – ist aus juristischer Sicht ein hochsensibles Thema, das tief in geschützte Rechtsgüter eingreift: die Privatsphäre von Verbrauchern, die unternehmerische Entscheidungsfreiheit von Firmen und nicht zuletzt die Datenhoheit nach DSGVO.

Während Sales-Abteilungen „Outreach“ sagen und Callcenter „Lead Qualification“, sprechen Juristen von einem Eingriff in die geschützte Sphäre des Empfängers, der straf- und wettbewerbsrechtliche Folgen haben kann. Genau deshalb zählt Kaltakquise seit Jahren zu den häufigsten Auslösern für Abmahnungen, Bußgelder und gerichtliche Unterlassungsverfahren in Deutschland.

Der zentrale Rechtsrahmen ist klar definiert: § 7 UWG, ergänzt durch DSGVO, TTDSG und umfangreiche Rechtsprechung von BGH, OLGs und der Bundesnetzagentur. Dennoch sind die meisten Verstöße keine böswilligen Taten – sondern das Ergebnis unklarer Regeln, fehlerhafter Datenquellen und falscher Annahmen im Vertrieb („Im B2B darf man ja alles!“).

Ist Kaltakquise erlaubt? Was Unternehmen in Deutschland wirklich dürfen

Diese Analyse erklärt – wie in einer anwaltlichen Erstberatung – was verboten, erlaubt und riskant ist, warum die Grenzziehung so streng ist, und in welchen konkreten Szenarien Kaltakquise rechtlich sofort kippt.

Juristische Definition: Was bedeutet Kaltakquise im Rechtssinn

Im deutschen Recht ist Kaltakquise gleichbedeutend mit Werbung ohne vorherige Einwilligung oder Geschäftsbeziehung.

Kaltakquise umfasst:

  • Telefonanrufe
  • E-Mails, Newsletter, Werbe-PDFs
  • SMS, WhatsApp, Messenger
  • LinkedIn/XING-Direktnachrichten
  • Social-Media-DMs
  • teilweise sogar unangemeldete Besuche im Büro

Werbung wird dabei extrem weit verstanden: Alles ist Werbung, was den Absatz fördert – sogar „kostenlose Webinare“, „Ratgeber“, „Analyse-Angebote“ oder „unverbindliche Informationsgespräche“.

Das ist wichtig:
Der subjektive Wille des Anrufers zählt nicht.
Es reicht, dass die Handlung objektiv absatzfördernd wirkt.

Hauptgesetz: § 7 UWG – das zentrale Schutzinstrument

2.1 § 7 UWG – Grundsatz

Werbung ist unzulässig, wenn sie eine unzumutbare Belästigung darstellt. Der Gesetzgeber geht noch weiter: Bei bestimmten Kontaktformen wird die Belästigung gesetzlich vermutet – es ist also automatisch verboten.

2.2 Telefonwerbung

B2C (Verbraucher): absolut verboten ohne vorherige Einwilligung

Telefonwerbung ist nur erlaubt, wenn der Verbraucher vorab aktiv zugestimmt hat.
Beispiele:

  • „Wir möchten über neue Stromtarife informieren.“ → verboten
  • „Wir führen eine Umfrage durch …“ → verboten, wenn versteckte Werbung
  • „Wir haben eine kurze Frage zu Ihrem Vertrag.“ → verboten, wenn kein Vertrag besteht

Rechtsfolgen: Bußgeld bis 300.000 €, Unterlassung, Abmahnung.

B2B (Unternehmen): nur mit mutmaßlichem Einverständnis

Der Unterschied ist klein, aber juristisch entscheidend.

Erlaubt ist nur, wenn:

  • der Anruf im sachlichen Interesse des Unternehmens liegt,
  • und das Interesse objektiv nachvollziehbar ist,
  • und der Angerufene vernünftigerweise mit diesem Anruf rechnen konnte.

Typische Fehleinschätzung:
„Wir rufen Firmen an, also ist es B2B – das geht immer.“
→ Nein. Das ist einer der häufigsten juristischen Irrtümer im Vertrieb.

Kommunikationskanäle: Was ist erlaubt

3.1 E-Mail-Marketing

Eine einzige Werbe-E-Mail ohne Einwilligung ist rechtswidrig. Punkt.

Das gilt für:

  • B2C
  • B2B
  • generische Adressen (info@…)
  • persönliche Adressen
  • Einzelunternehmer

Es gibt nur eine einzige Ausnahme: die Bestandskundenregelung (§ 7 Abs. 3 UWG).

3.2 Messenger (WhatsApp, Telegram, SMS)

Werbung über WhatsApp ist praktisch immer illegal, da zwei Verstöße entstehen:

  • UWG (Werbung ohne Einwilligung)
  • DSGVO (illegitimer Datengebrauch auf privaten Geräten)

3.3 Social Media (LinkedIn, Xing, Instagram)

  • Kontaktanfrage → unproblematisch
  • Werbliche Nachricht direkt nach Annahme → problematisch
  • Seriennachrichten über Automatisierung → klar illegal

Rechtsprechung: Die wichtigsten Urteile und Lehren

Fall 1 – BGH: Anruf bei einer Bäckerei (I ZR 133/14)

Ein Hersteller von Industriestaubsaugern rief eine Bäckerei an.

Gericht:
Kein fachlicher Bezug → kein mutmaßliches Einverständnis → verboten.

Fall 2 – OLG München: Newsletter an Unternehmen

Ein Webinar-Angebot wurde an eine GmbH geschickt.

Gericht:
Webinar = Werbung → ohne Opt-in rechtswidrig.

Fall 3 – Bundesnetzagentur sperrt 7.000 Nummern

Ein Callcenter nutzte Spoofing, wechselnde Nummern und Fake-Behördenanrufe.

Maßnahme:
Rufnummernsperrung, Bußgeld, Öffentlichmachung des Verstoßes.

Typische Risikosituationen (praktische Fälle aus Kanzleien)

Fall A – Leadlisten aus dem Internet

Eine Agentur kauft E-Mail-Listen („B2B, garantiert legal“).
→ Kein Rechtsgrund für Datenverarbeitung
→ Jeder Versand: UWG-Verstoß + DSGVO-Verstoß.

Fall B – Anruf bei Notar wegen Softwareangebot

„Wir bieten digitale Archivierung, Sie brauchen das sicher.“
→ Keine Notwendigkeit, kein erwartbarer Anruf → verboten.

Fall C – LinkedIn-DM als Werbung getarnt

„Danke für die Vernetzung. Ich habe gesehen, dass Sie im Vertrieb arbeiten. Hier unser Angebot …“
→ unzumutbare Belästigung → abmahnfähig.

Die einzige Ausnahme: Bestandskundenregelung (§ 7 Abs. 3 UWG)

Erlaubt ist Werbung per E-Mail ohne neue Einwilligung, wenn:

  1. die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit einem Kauf erhoben wurde,
  2. die Werbung ähnliche Produkte betrifft,
  3. es sich um eigene Produkte handelt,
  4. und der Kunde jedes Mal über das Widerspruchsrecht informiert wird.

Sanktionen: Was Unternehmen real droht

  • Abmahnungen von Wettbewerbern
  • Unterlassungsklagen (Gefahr von Vertragsstrafen bis 250.000 €)
  • Bußgelder der Bundesnetzagentur (bis 300.000 €)
  • DSGVO-Bußgelder bei unrechtmäßiger Datennutzung
  • Sperrung von Rufnummern
  • Reputationsschäden durch Berichterstattung

Viele Unternehmen unterschätzen die Gefahr: Ein einziger Fehler kann eine komplette Kampagne stoppen und Tausende Euro kosten.

Wie man legal akquiriert – Empfehlungen wie vom Fachanwalt

1. Reine B2B-Calls nur bei klarer Branchenlogik

Dokumentieren Sie, warum der Anruf erwarten ließ, dass Interesse besteht.

2. E-Mails ausschließlich mit Double-Opt-in

Keine Ausnahmen, keine Vermutungen.

3. Keine automatisierten LinkedIn-Kampagnen

Tools, die „100 Nachrichten pro Tag“ versprechen, sind juristische Zeitbomben.

4. Datenherkunft dokumentieren

„Listen aus dem Internet“ sind fast immer illegal.

5. Interne Schulungen im Vertrieb

Die meisten Verstöße passieren durch falsche Annahmen einzelner Mitarbeiter.

6. Klare, nachweisbare Einwilligungstexte

Mit Timestamp, IP, Dokumentation, Version des Einwilligungstextes.

Kaltakquise ist in Deutschland nicht grundsätzlich verboten, aber so eng reguliert, dass sie schnell zur Haftungsfalle wird. Die Kombination aus § 7 UWG, DSGVO und der strengen Rechtsprechung macht unerlaubte Werbung zu einem der teuersten Fehler im Vertrieb.

Bleiben Sie informiert! Lesen Sie auch: Aktivrente 2026: Wie Viel Steuerfreiem Zuverdienst Bleibt Rentnern Wirklich Noch Erlaubt

crossmenu