Vertrauen als Währung: Wie Versicherer die Generation Z für die Altersvorsorge gewinnen können

Die Generation Z, junge Erwachsene, die derzeit ihre ersten Karriereschritte unternehmen und sich intensiv mit dem Aufbau ihrer finanziellen Zukunft auseinandersetzen, zeichnet sich durch ein zögerliches und außerordentlich gründliches Entscheidungsverhalten aus. Dies gilt besonders für komplexe und langfristig bindende Themen wie Geldanlage und Altersvorsorge. Wie Dr. Guido Bader, CEO der Stuttgarter, betont, konkurriert die Branche nicht mit dem bloßen Versprechen maximaler kurzfristiger Rendite, sondern mit Verlässlichkeit und Struktur über eine lange Zeitachse hinweg. Während sich junge Menschen intensiv über Finfluencer-Clips informieren und Robo-Advisor vergleichen, wächst angesichts der Informationsflut oft die Sorge, die falsche Entscheidung zwischen ETF-Sparplan und einer klassischen Versicherungspolice zu treffen. Diese Entscheidungslähmung, die sich aus der Fülle der verfügbaren Informationen und der Angst vor einer unpassenden Bindung speist, ist im Kern ein tiefsitzendes Vertrauensproblem, welches die gesamte Finanzbranche dringend adressieren muss. Aktuelle Erhebungen belegen die Brisanz dieser Situation: Eine Forsa-Studie für Visa und ING aus dem Jahr 2024 zeigt, dass 83 Prozent der 18- bis 30-Jährigen die Sorge vor Altersarmut umtreibt.
Dennoch fühlt sich nur etwa jeder Zweite in dieser Altersgruppe finanziell kompetent, und diejenigen, die investieren, präferieren oft Wertpapiersparpläne außerhalb der traditionellen Lebens- und Rentenversicherungen, was sich mit internationalen Berichten deckt, wie dem aktuellen World Life Insurance Report, der einen zunehmenden Verzicht von Millennials und Gen Z auf Lebensversicherungen feststellt, berichtet Renewz.de mit Verweis auf Cash.
Für die Versicherungsbranche stellt dieser Pragmatismus der jungen Kundengruppe keine generelle Ablehnung der Altersvorsorge dar, sondern eine klare Aufforderung, die Erwartungen an Transparenz, Flexibilität und Sinnstiftung präzise zu erfüllen. Die heutige Jugend hat früh gelernt, Preise zu vergleichen und Quellen kritisch zu bewerten, weshalb Entscheidungen bei Unklarheit des Risikos häufig vertagt werden. Guido Bader sieht in dieser Situation nicht die "unwillige Jugend", sondern vielmehr Kundinnen und Kunden mit einem hohen Bedarf an Klarheit und Verständnis vor dem Eingehen einer langfristigen Bindung. Der Preis von Lebens- und Rentenversicherungen spielt hierbei zwar eine Rolle, ist aber nur ein Teilaspekt der Zurückhaltung. Wesentlicher sind die inhärente Komplexität der Versicherungsprodukte und der Regulierung, die Reputationslast der Branche, die zu oft Provisionsmodelle statt Kundennutzen in den Vordergrund stellte, sowie ein generelles Vertrauensdefizit gegenüber klassischen Institutionen.
Junge Menschen sind die ständige Vergleichbarkeit gewohnt. Was bei Vorsorgeprodukten irritiert, sind intransparente Kostenkomponenten, unklare Fachbegriffe und Verkaufspraktiken, die unnötigen Druck erzeugen. Kosten können nur dann überzeugen, wenn sie nachvollziehbar in eine konkrete Leistung übersetzt werden können. Fehlendes Vertrauen lässt sich nicht durch Argumentation beseitigen, sondern muss durch konsistente Praxis und ein glaubwürdiges Handeln der Anbieter verdient werden. Obwohl Offenlegungspflichten gestiegen und Modellrechnungen in den vergangenen Jahren realistischer geworden sind, wirken im digitalen Raum weiterhin veraltete Narrative und vereinfachende Gegensätze. Nur wenn Preise, Leistungen und Risiken für den Kunden vollständig nachvollziehbar sind und Zusagen durch stabile Prozesse gestützt werden, kann sich die Skepsis dieser Generation in Zutrauen wandeln.
Eine Lebensversicherung muss klar als das dargestellt werden, was sie ist: keine kurzfristige Rendite-Chance, sondern eine langfristige Kombination aus Absicherung, disziplinierter Vorsorge und umfassenden Services für verschiedene Lebensphasen. Die eigentliche Stärke liegt in der Verbindung von Sparen und essenziellen Schutzmechanismen, die im Ernstfall entscheidend sind. Diese Stärke muss ohne Fachjargon und ohne das Wecken unrealistischer Erwartungen an die Marktentwicklung verständlich kommuniziert werden. Die Branche muss Orientierung bieten, indem sie Nutzen und Grenzen der Produkte offen benennt: Welche Bausteine sind enthalten, wie hoch sind die Kosten für den Schutz, wo liegen die Risiken beim Kunden und wo beim Anbieter, und wie flexibel ist die Lösung bei Jobwechseln oder Lebensumbruchen.
Im direkten Vergleich müssen Alternativen wie Broker-Apps und ETF-Sparen fair eingeordnet werden. Diese punkten mit niedrigeren Kosten und höherer Eigenverantwortung, was für viele Ziele sinnvoll und legitim ist. Der Mehrwert der Versicherer entsteht dort, wo Garantieelemente, Absicherung und verhaltensökonomische Stabilität über Jahrzehnte hinweg den ausschlaggebenden Faktor darstellen. Indem die Branche ihre Rolle als Anbieter von Verlässlichkeit und Struktur in einer langen Zeitachse klar annimmt, wird eine Überredung der GenZ unnötig. Die Entscheidung für das Produkt wird getroffen, weil die Komplexität verstanden wurde.
Eine exzellente digitale Infrastruktur ist heutzutage eine Grundvoraussetzung. Ohne reibungslose Abschlussstrecken, klare Benutzerführung, Self-Services und Apps, die Vertragsstände, Kosten und Optionen transparent abbilden, wird der Zugang zur Generation Z erschwert. Digitalisierung ist der Kanal für Recherche und den ersten Kontakt. Der eigentliche Abschluss, der Vertrauen erfordert, entsteht jedoch im Moment des Dialogs. Hier übernimmt der Mensch als Berater die Verantwortung, sortiert Prioritäten, klärt Zielkonflikte und wägt gemeinsam mit dem Kunden die passende Lösung ab. Technologie beschleunigt und visualisiert, aber die Qualität der Entscheidung entspringt der individuellen Beratung. Daher ist eine hybride Journey erforderlich, die digitale Vorqualifizierung zur Reduzierung der Komplexität mit einem persönlichen Gespräch verbindet, um die entscheidenden Fragen zu finanzieller Belastbarkeit und Risikotoleranz zu klären.
Jüngere Generationen legen Wert auf das "Wie" und nicht nur auf das "Was" der Produkte. Wenn die Branche langfristige Vorsorge empfiehlt, muss sie selbst durch langfristiges, ökologisches, soziales und ethisches Handeln glaubwürdig sein. Dies erstreckt sich auf faire Arbeitsbedingungen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine nachhaltige Kapitalanlage mit klaren Ausschlusskriterien und messbaren CO2-Reduktionszielen. Für die Gen Z ist Sinn kein Zusatznutzen, sondern ein integraler Bestandteil des Angebots. Wer diesen Anforderungen gerecht wird, differenziert sich strukturell durch Prozesse, die Transparenz ermöglichen, und durch Produkte, die gesellschaftliche Wirkung und Wirtschaftlichkeit vereinen.
Angesichts des demografischen Drucks auf staatliche Systeme wächst die Rolle der Versicherer als Stabilitätsanker. Dies erfordert ein neues Selbstverständnis: weniger Abschlusslogik, mehr Begleitlogik. Die Beratung sollte als Beginn einer langfristigen Beziehung verstanden werden, die den Kunden über alle Lebensphasen hinweg begleitet, vom Berufsstart über die Familiengründung bis hin zu Versorgungs-Pausen. Um diese Haltung zu verankern, müssen Anreizsysteme neu justiert werden, sodass Erfolg anhand von Verständlichkeit, Vertragstreue, Zufriedenheit und Nutzungsgrad der Services gemessen wird, nicht nur an kurzfristigen Volumina. Der Markteinstieg muss durch Modularität statt durch Überfrachtung und Starrheit erleichtert werden. Letztlich trifft die 26-Jährige ihre Entscheidung nicht durch Überredung, sondern weil die Komplexität in Klarheit übersetzt wurde.
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