Dekarbonisierung der Industrie: Milliarden-Investitionen in Power-to-Gas

Die Grüner Wasserstoff Wirtschaft gilt als der entscheidende Schlüssel, um die Dekarbonisierung der Industrie in Deutschland zu vollziehen und die Klimaziele des Landes zu erreichen. Wasserstoff (H2), hergestellt durch Elektrolyse mittels erneuerbarer Energien, ist essenziell für Sektoren, die sich nicht elektrifizieren lassen, wie die Stahl- und Chemieindustrie sowie der Schwerlastverkehr. Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung bildet den politischen Rahmen für diese Transformation und sieht massive öffentliche Investitionen in Forschung, Infrastruktur und Markthochlauf vor. Deutsche Industriegiganten wie Siemens Energy und thyssenkrupp stehen in der ersten Reihe dieser globalen Transformation und investieren Milliarden in die Entwicklung von Elektrolyseuren und die Umrüstung ihrer Produktionsstätten. Die Herausforderung liegt jedoch nicht nur in der Technologieentwicklung, sondern vor allem in der immensen Skalierung und dem schnellen H2-Netz Aufbau, der notwendig ist, um die erwartete Nachfrage zu decken. Dabei wird Deutschland auf absehbare Zeit auf Importe angewiesen sein, was neue Abhängigkeiten schafft, wie die Redaktion Renewz.de analysiert.
Nationale Wasserstoffstrategie: Die Milliarden-Subventionen für den Hochlauf
Die deutsche Bundesregierung hat die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) im Jahr 2020 verabschiedet und diese 2023 signifikant angepasst und erweitert, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. Kernziel ist der Aufbau einer Elektrolysekapazität von mindestens 10 Gigawatt (GW) bis 2030, um einen Teil des nationalen Bedarfs an grünem Wasserstoff selbst zu decken. Dazu wurden enorme Subventionsprogramme aufgelegt, darunter das IPCEI-Programm (Important Projects of Common European Interest), welches über 8 Milliarden Euro an Fördergeldern für Wasserstoffprojekte in Deutschland vorsieht. Diese Mittel fließen direkt in den Aufbau von Elektrolyseanlagen, die Forschung zu Speichermethoden und die Entwicklung der notwendigen Transportinfrastruktur. Die NWS geht davon aus, dass Deutschland bis 2030 einen Bedarf von 90 bis 110 Terawattstunden (TWh) Wasserstoff haben wird, wovon der Großteil importiert werden muss. Der Staat agiert hier als Katalysator, um die anfänglich hohen Produktionskosten von grünem H2 zu senken und die Technologie marktfähig zu machen.
Kernpunkte und Förderziele der Nationale Wasserstoffstrategie:
- Ziel 2030: Mindestens 10 GW installierte Elektrolysekapazität in Deutschland.
- Importquote: Schätzungsweise 50 % bis 70 % des Bedarfs müssen importiert werden.
- Finanzierungsinstrumente: IPCEI (Förderung von Großprojekten), H2Global (Importförderung).
- Fokusregionen: Norddeutschland (Windkraftbasis) und Industriestandorte in Nordrhein-Westfalen und Bayern.
Der H2-Netz Aufbau: Wie die Gasnetze transformiert werden
Der physische H2-Netz Aufbau ist das logistische Rückgrat der zukünftigen Grüner Wasserstoff Wirtschaft und stellt eine der größten Herausforderungen dar. Deutschland plant, bis 2030 ein über 1.800 Kilometer langes Kernnetz für Wasserstoff zu schaffen, das die großen Industriestandorte, Speicher und Importterminals miteinander verbindet. Die gute Nachricht ist, dass ein Großteil dieses Kernnetzes durch die Umrüstung (sogenanntes "Repurposing") bestehender Erdgasleitungen realisiert werden soll, was die Kosten im Vergleich zum kompletten Neubau deutlich senkt. Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNBs) spielen hier eine Schlüsselrolle und haben einen gemeinsamen Plan zur Entwicklung dieses H2-Netz vorgelegt. Parallel dazu müssen neue Infrastrukturen an den Küsten für den Import von verflüssigtem Wasserstoff oder Ammoniak (H2-Träger) über Häfen wie Wilhelmshaven und Brunsbüttel entstehen, die als zentrale Import-Hubs dienen sollen.
Geplante Phasen des H2-Netz Aufbau (Kernnetz):
| Phase | Zeitraum (Ziel) | Länge (ca.) | Hauptzweck |
| Phase 1 (Kernnetz) | 2025–2030 | 1800 km | Anbindung erster Import-Terminals und großer Industriezentren |
| Phase 2 (Ausbau) | Ab 2030 | 5000+ km | Verbindung mit europäischen Netzen (insbesondere Südeuropa) und weiteren Regionen |
| Technologie | Kontinuierliches Repurposing | 60–90 % der Leitungen umgewidmet | Kosten- und Zeitersparnis im Vergleich zum Neubau |
Dekarbonisierung der Industrie: Die Rolle von Siemens Energy und thyssenkrupp
Die treibenden Kräfte bei der praktischen Umsetzung der Dekarbonisierung der Industrie sind die großen deutschen Technologie- und Industriekonzerne, die massive Vorleistungen erbringen. Siemens Energy hat sich als einer der weltweit führenden Hersteller von Elektrolyseuren positioniert, die für die Power-to-Gas-Produktion von grünem H2 unerlässlich sind. Das Unternehmen investiert stark in die Skalierung seiner Fertigungskapazitäten, um die Kosten für Elektrolyseure zu senken und die Technologie global wettbewerbsfähig zu machen. Gleichzeitig führt thyssenkrupp in seinem Stahlwerk in Duisburg wegweisende Projekte durch, um die traditionelle kohlebasierte Stahlerzeugung auf Wasserstoff umzustellen. Dieses Projekt ist nicht nur symbolisch, sondern technisch extrem anspruchsvoll, da die benötigten Mengen an H2 riesig sind. Beide Unternehmen sind stark von der staatlichen Förderung abhängig, da die Umstellung auf H2-basierte Prozesse im Moment noch nicht wirtschaftlich ist.
Drei Sektoren im Fokus der Dekarbonisierung der Industrie:
- Stahlindustrie: Einsatz von H2 als Reduktionsmittel anstelle von Koks (Reduzierung der CO2-Emissionen um bis zu 95 %).
- Chemieindustrie: Nutzung von grünem H2 als Rohstoff für Ammoniak und Methanolproduktion.
- Zementindustrie: Potenzielle Nutzung von synthetischen Brennstoffen aus H2-Derivaten.
Globale Partnerschaften: Import und die Gefahr neuer geopolitischer Abhängigkeiten
Da die heimische Erzeugung von grünem H2 aufgrund der begrenzten Flächen und der volatilen erneuerbaren Energien (Wind und Sonne) nicht ausreichen wird, ist Deutschland auf den Import angewiesen, was neue geopolitische Herausforderungen mit sich bringt. Die Grüner Wasserstoff Wirtschaft Deutschlands stützt sich auf internationale Partnerschaften, die über die H2Global-Stiftung gefördert werden, die langfristige Importverträge finanziell absichert, um die Produktion in Drittländern zu stimulieren. Abkommen mit Ländern wie Australien, Chile, Marokko und den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden bereits geschlossen oder befinden sich in der finalen Phase, um die notwendigen Mengen zu sichern. Diese Strategie zur Diversifizierung der Energiequellen soll die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten (wie zuvor bei russischem Gas) verringern. Jedoch führt die starke Konzentration auf Länder mit hohem Potenzial für Solar- und Windenergie, aber teilweise fragiler politischer Lage, zu der Debatte über neue, ethisch vertretbare Abhängigkeiten.
Power-to-Gas und die Speicherung: Die Rolle der Elektrolyse
Der Begriff Power-to-Gas (PtG) beschreibt den Prozess, bei dem überschüssiger Strom aus Wind- oder Solaranlagen mithilfe der Elektrolyse in gasförmige Energieträger (Wasserstoff oder nachfolgend Methan) umgewandelt wird. Diese Technologie ist ein unverzichtbarer Puffer in der Grüner Wasserstoff Wirtschaft, da sie es ermöglicht, große Mengen an Energie langfristig zu speichern und das Stromnetz zu stabilisieren. Anstatt Windkraftanlagen bei Überschussproduktion abzuschalten (was in Deutschland häufig passiert), kann dieser Strom zur H2-Erzeugung genutzt und anschließend in bestehenden Kavernen oder dem zukünftigen H2-Netz gespeichert werden. Die Herausforderung der Power-to-Gas-Technologie liegt in ihrem relativ geringen Gesamtwirkungsgrad (etwa 50 % bei der Umwandlung von Strom zu Wasserstoff und zurück zu Strom), weshalb der direkte Verbrauch von Ökostrom stets Priorität hat. Dennoch sind PtG-Anlagen essenziell, um die Dekarbonisierung der Industrie zu gewährleisten.
Drei Arten von Wasserstoff (H2) nach Produktionsmethode:
- Grüner H2: Produziert durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen (Ziel der NWS).
- Blauer H2: Produziert aus Erdgas, wobei das entstehende CO2 abgeschieden und gespeichert wird (CCS-Technologie; umstritten).
- Grauer H2: Produziert aus Erdgas ohne CO2-Abscheidung (derzeit dominante Methode, wird ersetzt).
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